Studie: Jeder Sechste hält Ohrfeigen in Erziehung für angebracht – Trotz Rechts auf gewaltfreie Erziehung

Ohrfeige
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Ungeachtet des seit 20 Jahren geltenden Rechts von Kindern auf gewaltfreie Erziehung halten viele Menschen in Deutschland körperliche Bestrafung weiter für angebracht. Jeder Sechste hält Ohrfeigen bei der Kindererziehung für angebracht, wie eine am Donnerstag veröffentlichte Studie der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie Ulm, des UN-Kinderhilfswerks Unicef und des Deutschen Kinderschutzbunds ergab.

Immerhin jeder Zweite ist demnach noch immer der Auffassung, dass ein Klaps auf den Hintern noch keinem Kind geschadet habe. Insgesamt ergab die Studie über Einstellungen zu Körperstrafen und elterlichem Erziehungsverhalten, dass insbesondere das Ausmaß und die negativen Folgen psychischer Gewalt gegen Kinder bis heute weitgehend unterschätzt werden.

Den Forschern zufolge ging zwar in den vergangenen 20 Jahren der Anteil der Menschen zurück, die in der Erziehung Gewalt anwenden oder als angebracht ansehen. Insbesondere leichtere Körperstrafen bleiben aber „bei einem erschreckenden Teil der deutschen Bevölkerung“ weiter verbreitet, wie die Initiatoren der Untersuchung erklärten.

Bei der Untersuchung stellte sich unter anderem heraus, dass Befragte mit eigener Gewalterfahrung im Kindesalter Körperstrafen in der Erziehung eher zustimmen als ohne Gewalt aufgewachsene Menschen. So ist die Wahrscheinlichkeit, der Aussage „Ein Klaps auf den Hintern hat noch keinem Kind geschadet“ zuzustimmen, bei der Gruppe mit eigenen körperlichen Gewalterfahrungen fast 16 Mal so hoch wie bei den anderen Menschen.

Zudem ist der Studie zufolge die Zustimmung zu Körperstrafen bei Männern größer als bei Frauen. Auch lehnten ältere Befragte Körperstrafen als Mittel der Erziehung seltener ab als jüngere.

Angesichts der Studienergebnisse forderten die Initiatoren, das Bewusstsein für alltägliche Gewalt gegen Kinder zu schärfen sowie das Recht auf gewaltfreie Erziehung auf allen gesellschaftlichen Ebenen umzusetzen. Notwendig seien eine Stärkung der Kinderrechte unter anderem durch deren Aufnahme ins Grundgesetz, nachhaltige Aufklärungskampagnen über Ausmaß und Folgen von Gewalt gegen Kinder sowie eine verbesserte Datenlage.

Für die Untersuchung befragte ein Forschungsteam der Ulmer Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie im Frühjahr 2500 repräsentativ ausgewählte Menschen.

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