Der Einzelhandel fordert bei einem harten Corona-Lockdown umfangreiche staatliche Entschädigungen – und zwar zu „denselben Konditionen wie für die Gastronomie“ im Dezember, wie der Handelsverband HDE am Freitag erklärte. Restaurants und Kneipen bekommen drei Viertel ihres Umsatzes aus dem Vorjahresmonat ersetzt. So viel wird es für den Einzelhandel aber nicht geben, wie Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) andeutete.
Der Handelsverband Deutschland – Spitzenorganisation für rund 300.000 Unternehmen mit drei Millionen Beschäftigten – betonte am Freitag, für Dezember müssten „unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten“ staatliche Entschädigungen wie für die Gastronomie fließen. Würden die Geschäftsschließungen im kommenden Jahr fortgesetzt, müsse es auch dann weiterhin Hilfsprogramme geben. „Dabei sollten zwingend kurzfristige Abschlagszahlungen erfolgen“, forderte der HDE.
Der Verband rechnet vor, dass der Nicht-Lebensmittelhandel bis zu eine Milliarde Euro Umsatz pro Tag verlieren könnte. Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln veröffentlichte am Freitag eine Schätzung, wonach die Einzelhändler in den Innenstädten im November 5,8 bis 7,6 Milliarden Euro Umsatz einbüßten und es im Dezember ein Minus von 6,3 bis 9,3 Milliarden Euro werden könnten.
„Sollte der Einzelhandel zeitnah schließen müssen, ist der wirtschaftliche Schaden im Dezember nochmal größer. Dann ist von verpassten Umsätzen in den Innenstädten von circa zwölf Milliarden Euro auszugehen“, sagte einer der Studienautoren, Wettbewerbsökonom Christian Rusche, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Für den Fall, dass der Einzelhandel mit Beginn der Weihnachtsfeiertage dicht machen muss, rechnet der Ökonom mit einem Schaden von bis zu zehn Milliarden Euro im Dezember.
Der HDE kritisierte erneut, er sehe Ladenschließungen im Rahmen der Pandemiebekämpfung insgesamt „als nicht verhältnismäßig an“. Der Handel sei kein Infektionshotspot; die Branche habe in den vergangenen Wochen und Monaten bewiesen, dass sicheres Einkaufen unter Einhaltung aller Hygiene- und Abstandsvorschriften auch in Zeiten der Pandemie möglich sei, erklärte Verbandspräsident Josef Sanktjohanser.
Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger sagte dem „Handelsblatt“, den Einzelhandel „pauschal in ganz Deutschland zu schließen, hielte ich für falsch“. Das Infektionsgeschehen stelle sich beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern ganz anders dar als in Sachsen. Der Einzelhandel habe „schon viel gelitten und sollte auf jeden Fall noch das Weihnachtsgeschäft mitnehmen können“.
Der Mittelstandsbeauftragte der Bundesregierung, Thomas Bareiß (CDU), betonte erneut die Bedeutung des Einzelhandels für die Innenstädte. „Die Corona-Pandemie entwickelt sich zum beispiellosen Konjunkturprogramm für die großen Online-Händler“, sagte er dem „Handelsblatt“. Die Politik habe hier „eine große Verantwortung, die in Europa fast stationäre Struktur zu sichern“. Der Einzelhandel habe auch eine wichtige Funktion für attraktive Innenstädte. „Wir können diese Unternehmen nicht im Regen stehen lassen.“
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) erteilte den Forderungen nach einem Umsatzausgleich aber eine Absage. „Sonderregelungen für einzelne Branchen“ werde es nicht geben, sagte er. Stattdessen werde es bei einem harten Lockdown eine Rückkehr zu Regelungen geben, „die für alle Branchen branchenübergreifen entworfen wurden, und zwar schon im Juni dieses Jahres, die sich bewährt haben, die es auch sicherstellen dass Fixkosten, aber auch Werbungskosten, Abschreibungen und vieles mehr berücksichtigt werden können“.