Die EU-Kommission wirft der ungarischen Regierung vor, ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu ihrem umstrittenen NGO-Gesetz nicht umgesetzt zu haben. Budapest habe „trotz wiederholter Aufforderungen der Kommission“ nicht die erforderlichen Maßnahmen ergriffen, erklärte die Brüsseler Behörde am Donnerstag. Sie leitete deshalb ein weiteres Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn ein, das schon bald in finanzielle Sanktionen münden könnte.
Der EuGH in Luxemburg hatte im Juni entschieden, dass das 2017 von der Regierung unter Ministerpräsident Viktor Orban eingeführte Gesetz gegen EU-Recht verstößt. Es sieht eine Meldepflicht für Nichtregierungsorganisationen (NGO) für ausländische Spenden vor und verpflichtet zur Offenlegung der Spenderdaten. Betroffene Organisationen sollten sich außerdem in ihrer Selbstdarstellung als „aus dem Ausland unterstützt“ beschreiben.
Nach Auffassung des EuGH verstößt dies gegen die Rechte auf freien Kapitalverkehr in der EU, auf Vereinigungsfreiheit sowie auf Privatsphäre und Datenschutz. Die Luxemburger Richter werteten die strengen Vorgaben zudem als „diskriminierend“ und geeignet, „ein Klima des Misstrauens“ gegenüber den betroffenen Organisationen zu schaffen. Die Regierung in Budapest sicherte zu, das Urteil zu respektieren.
Nach Ansicht der EU-Kommission tat sie dies jedoch nicht. „Insbesondere hat Ungarn das Transparenzgesetz nicht aufgehoben“, erklärte sie am Donnerstag. Budapest habe nun zwei Monate Zeit, um auf die Bedenken einzugehen. „Andernfalls kann die Kommission beschließen, den Fall an den Gerichtshof der EU zurückzuverweisen und finanzielle Sanktionen vorzuschlagen.“
Das NGO-Gesetz zielt insbesondere auf den in Ungarn geborenen US-Investor George Soros und dessen Stiftung Open Society Foundations ab. Die Stiftung hatte 2018 ihre Aktivitäten von Budapest nach Berlin verlegt, nachdem das ungarische Parlament ein weiteres umstrittenes Gesetz verabschiedet hatte, das Flüchtlingshelfern mit Haftstrafen droht.