Kampf um das Gleichgewicht der Geschlechter im Bundestag

Symbolbild: Reichstag/Bundestag
Symbolbild: Reichstag/Bundestag

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat am Dienstag eine Klage für Geschlechterparität im Bundestag als unzulässig abgelehnt. Die Beschwerdeführerinnen rügten, dass es kein Gesetz in Deutschland gibt, Wahllisten gleichermaßen mit Männern und Frauen zu besetzen. Sie begründeten aber nicht hinreichend, dass der Gesetzgeber hier tätig werden müsse, wie das Gericht entschied. Damit geht der Streit um ein Paritätsgesetz weiter. Fragen und Antworten:

WORUM GEHT ES BEI DER PARITÄTISCHEN BESETZUNG VON WAHLLISTEN?

Der Anteil von Frauen in deutschen Parlamenten liegt unter der Marke von 50 Prozent, meist sogar deutlich darunter. Im Bundestag etwa beträgt er seit der letzten Bundestagswahl 31 Prozent, was ein Rückgang von mehr als fünf Prozentpunkten im Vergleich zur vorangegangenen Legislaturperiode ist.

In Politik und Gesellschaft werden darum immer wieder Stimmen laut, die eine gesetzliche Regelung fordern. Damit würden die Parteien beispielsweise verpflichtet, ihre Landeslisten und möglicherweise die Direktkandidaturen für die Wahlkreise paritätisch – also abwechselnd mit Frauen und Männern – oder quotiert zu besetzen, so dass etwa ein Geschlecht nicht mehr als 60 Prozent der Listenplätze für sich beanspruchen könnte.

Im aktuellen Fall erhoben die Beschwerdeführerinnen Einspruch gegen die Bundestagswahl von 2017. Sie sahen das Grundrecht auf Gleichberechtigung verletzt, weil die Parteien ihre Listen nicht paritätisch besetzen mussten. Der Bundestag lehnte den Einspruch aber ab, woraufhin die Frauen vor das Bundesverfassungsgericht zogen.

GIBT ES SOLCHE PARITÄTSGESETZE SCHON?

In Deutschland nicht. Auf Bundesebene scheiterte in dieser Legislaturperiode die Idee einer Wahlrechtsreform. Noch vor dem Bundesverfassungsgericht entschieden bereits drei Landesverfassungsgerichte gegen ein Paritätsgesetz: In Bayern wies der Verfassungsgerichtshof 2018 eine Klage ab, die den Gesetzgeber verpflichten sollte, Regelungen für eine paritätische Besetzung zu erlassen.

In Thüringen und Brandenburg verabschiedete Paritätsgesetze wurden im vergangenen Jahr von den dortigen Verfassungsgerichten gekippt, nachdem AfD und NPD geklagt hatten. Gegen beide Entscheidungen wurden Beschwerden beim Bundesverfassungsgericht eingereicht.

In verschiedenen Bundesländern wird zudem weiter an entsprechenden Regelungen gearbeitet oder darüber diskutiert – etwa in Thüringen, Berlin und Nordrhein-Westfalen. Vor allem Grüne, Linkspartei und SPD treiben das Thema voran.

WIE BEGRÜNDETEN DIE GERICHTE IHRE ENTSCHEIDUNGEN?

Die Landesverfassungsgerichte sahen die Freiheit der Wahl gefährdet. Zudem hieß es, dass entsprechende Gesetze die Freiheit und Chancengleichheit der politischen Parteien einschränkten.

Das Bundesverfassungsgericht entschied nun nicht grundsätzlich darüber, ob ein Paritätsgesetz mit der Verfassung vereinbar wäre. Es stellte aber fest, dass „bei der Wahrnehmung des Gleichstellungsauftrags“ die Grundsätze von Freiheit und Gleichheit der Wahl und der Parteienfreiheit berücksichtigt werden müssten. Damit hätten sich die Klägerinnen nicht genügend auseinandergesetzt.

WIE SIEHT ES IN ANDEREN LÄNDERN AUS?

Viele EU-Länder führten Quoten für die Besetzung von Wahllisten zu den nationalen Parlamenten ein. Diese betragen aber nicht immer 50 Prozent. Regelungen gibt es in Belgien, Griechenland, Finnland, Frankreich, Irland, Kroatien, Polen, Portugal, Slowenien und Spanien.

Den höchsten Frauenanteil im Parlament hat innerhalb der EU Schweden mit fast 48 Prozent. Dort besetzen die meisten Parteien ihre Listen seit vielen Jahren freiwillig paritätisch. Dicht darauf folgt Finnland mit knapp 47 Prozent Frauenanteil. Den geringsten Frauenanteil hat mit nur zwölf Prozent Ungarn.

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