In den Niederlanden haben am Montag die ersten Bürger bei der dreitägigen Parlamentswahl abgestimmt. Um das Corona-Ansteckungsrisiko zu verringern, sind die Wahllokale bis Mittwoch geöffnet. Am Montag und Dienstag dürfen insbesondere ältere Menschen und Angehörige von Risikogruppen ihre Stimme abgeben. Die liberale Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD) von Ministerpräsident Mark Rutte geht als Favorit in das Rennen.
Die VVD liegt derzeit mit rund 25 Prozent in den Umfragen vorne. Bislang verfügt sie über 32 der 150 Parlamentssitze und führt eine Vier-Parteien-Koalition an, zu der die konservativen Parteien CDA und Christliche Union sowie die Mitte-Links-Partei D66 gehören. Experten rechnen damit, dass Rutte sein Umgang mit der Corona-Pandemie zugute kommt und er auf eine vierte Amtszeit zusteuert.
Die Corona-Pandemie hatte im Wahlkampf zuvor dominierende Themen wie die Migrationspolitik verdrängt. Der Ministerpräsident hatte zu Beginn der Krise zunächst eine eher laxe Haltung eingenommen, dann sein Vorgehen zur Eindämmung des Virus jedoch drastisch verschärft. Bislang infizierten sich in dem Land mit seinen rund 17 Millionen Einwohnern etwa 1,1 Millionen Menschen mit dem Coronavirus, 16.000 Menschen starben nach einer Infektion.
Rutte profitiere nicht nur vom „Ministerpräsidenten-Bonus“, sondern auch vom „‚Corona-Bonus‘, weil er während der Pandemie der Wortführer war“, sagte Andre Krouwel, der an der Vrije Universiteit Amsterdam Politikwissenschaften lehrt.
Die 72-jährige Lehrerin Lies Eisma sieht Ruttes Bilanz kritisch. „Viele Leute denken, ‚Lasst Herrn Rutte die Arbeit zu Ende bringen‘, und vielleicht ist das eine gute Idee, aber danach muss er gehen“, sagte sie nach ihrer Stimmabgabe der Nachrichtenagentur AFP. Er habe viele Probleme „einfach schleifen lassen“.
Tatsächlich sind nicht alle Niederländer mit der Politik der Regierung zufrieden. Als im Januar wegen der Corona-Pandemie zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg eine nächtliche Ausgangssperre verhängt wurde, kam es zu den heftigsten Unruhen seit Jahren.
Kurz vor der Wahl gab es am Sonntag in Den Haag erneut Proteste. Die Polizei ging mit Wasserwerfern und Schlagstöcken gegen hunderte Demonstranten vor, die gegen die Regierung, aber auch gegen die Corona-Beschränkungen protestierten.
Wegen seiner Fähigkeit, politische Krisen unbeschadet zu überstehen, wird Rutte in den Niederlanden auch als „Teflon“-Ministerpräsident bezeichnet. Der liberale Politiker hatte Anfang des Jahres wegen eines Regierungsskandals um Kinderbeihilfen seinen Rücktritt erklärt, war aber geschäftsführend im Amt geblieben. Die Behörden hatten tausenden Eltern zu Unrecht Betrug bei Kinderbeihilfen vorgeworfen und mit Rückforderungen viele Familien in finanzielle Not gestürzt.
In den jüngsten Umfragen liegt Ruttes Partei weit vor ihrem wichtigsten Herausforderer, der rechtspopulistischen Anti-Islam-Partei PVV von Geert Wilders. Sie steht derzeit bei rund 13 Prozent und bleibt damit wahrscheinlich zweitstärkste Kraft im Parlament. Um den Platz als drittstärkste Partei konkurrieren die an der Regierung beteiligten Parteien CDA und Christliche Union.
Allerdings liegen in den Umfragen auch andere Parteien, unter anderen die grüne Partei GroenLinks, nicht weit hinter den bisherigen Koalitionsparteien. Welches Regierungsbündnis am Ende aus der Wahl hervorgeht, ist deshalb noch ungewiss. Nach der vergangenen Wahl im Jahr 2017 dauerten die Koalitionsverhandlungen sieben Monate.