Hoher Besuch aus Washington in unruhigen Zeiten: US-Verteidigungsminister Lloyd Austin am Dienstag in Berlin

Lloyd Austin mit Antony Blinken (re.) - Bild: State Department/Ron Przysucha
Lloyd Austin mit Antony Blinken (re.) - Bild: State Department/Ron Przysucha

In unruhigen Zeiten reist US-Verteidigungsminister Lloyd Austin nach Berlin. In Afghanistan rückt eine Frist für einen US-Truppenabzug immer näher und die Lage in der Ost-Ukraine verschärft sich einschließlich eines russischen Truppenaufmarsches an der Grenze. Es gibt also viel zu besprechen, wenn Austin am Dienstag Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) trifft – und als erster Minister der Regierung des neuen Präsidenten Joe Biden Deutschland besucht.

Biden setzt nach den vier Jahren des „Amerika zuerst“-Verfechters Donald Trump auf eine neue Stärkung der traditionellen Bündnisse. Insbesondere zwischen Berlin und Washington hatte es unter Trump viel geknirscht: Der Republikaner warf der Bundesregierung regelmäßig vor, nicht ausreichend für die Verteidigung auszugeben und sich sicherheitspolitisch von den USA aushalten zu lassen.

Quasi als Strafmaßnahme ordnete Trump im vergangenen Jahr einen Teilabzug der US-Streitkräfte aus Deutschland an, zu dem es aber nie kam. Biden legte das Vorhaben nach Amtsantritt auf Eis und bestellte bei Austin eine umfassende Prüfung der weltweiten US-Truppenpräsenz.

Der 67-Jährige Verteidigungsminister und pensionierte Vier-Sterne-General wird bei seinem Deutschlandbesuch auch das regionale Europa-Hauptquartier US European Command (Eucom) besuchen, das Trump von Stuttgart ins belgische Mons verlegen wollte. Vor Austins Reise schmeichelte das Pentagon Deutschland bereits als „einem unserer engsten Nato-Verbündeten“.

Der erste schwarze Verteidigungsminister der US-Geschichte soll im Auftrag Bidens die Festigung des transatlantischen Bündnisses voranbringen. Das Agieren Russlands an der Grenze zur Ukraine, das im Westen die Alarmglocken schrillen lässt, dürfte Europäer und Nordamerikaner näher zusammenrücken lassen.

Enge Zusammenarbeit ist auch beim Thema Afghanistan gefragt. Trump hatte den radikalislamischen Taliban einen Abzug aller ausländischen Truppen bis Ende April zugesagt. Biden hat diese Vereinbarung allerdings auf den Prüfstand gestellt. 

Denn Friedensgespräche zwischen der Regierung in Kabul und den Taliban haben bisher nicht zum Erfolg geführt, viele fürchten neues Chaos bei einem Abzug der westlichen Truppen. Mit Ungeduld erwarten Berlin und die anderen europäischen US-Verbündeten nun, was die stärkste Militärmacht der Welt unternehmen wird – zumal davon auch ihr eigener Verbleib in Afghanistan abhängt.

Da hilft es vermutlich, dass Austin sich mit den Problemen in Afghanistan bestens auskennt. In seiner mehr als 40-jährigen Militärkarriere war der Heeresgeneral auch in Afghanistan im Einsatz. 2013 wurde er dann Kommandeur des wichtigen US-Militärkommandos Centcom, das unter anderem für den Nahen Osten und Afghanistan zuständig ist.

Auch mit den Tücken von Truppenabzügen ist der Absolvent der Militärakademie West Point bestens vertraut. Als Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte im Irak vollzog er 2011 den vom damaligen Präsidenten Barack Obama angeordneten Truppenabzug aus dem Land.

Austin hatte angesichts der instabilen Lage dafür plädiert, nicht vollständig abzuziehen, sondern tausende Soldaten im Irak stationiert zu lassen. Dazu kam es nicht. Wenige Jahre später musste die US-Armee zurückkehren, um den Vormarsch der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) zu stoppen. 

Ein solches Szenario wollen die USA im Fall Afghanistan unbedingt verhindern. Zugleich ist Biden nicht gewillt, den Militäreinsatz am Hindukusch auf ewig zu verlängern – zumindest bei diesem Thema tickt er ähnlich wie sein Vorgänger Trump. „Es ist nicht meine Absicht, dort lange zu bleiben“, sagte Biden Ende März. 

Wie sein Verteidigungsminister Austin diesen Zielkonflikt lösen will, wird sich zeigen. Auch Berlin dürfte gespannt sein.

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