Belgische Brauereien im Wettlauf mit der Zeit

Symbolbild: Braukessel einer Brauerei
Symbolbild: Braukessel einer Brauerei

Sechs lange Monate durften die Belgier nicht auf den Terrassen ihrer Kneipen oder Restaurants sitzen und ihr geliebtes Bier trinken – Weltkulturerbe seit 2017. Am Samstag ist es nun wieder soweit: Die Außengastronomie soll wieder öffnen dürfen. Den Durst der Biernation in den kommenden Wochen zu stillen, gleicht einer Herkulesaufgabe für die Brauereien des Landes. „Es ist eine ganze Maschine, die wieder in Gang kommen muss“, sagt Lionel Van der Haegen, Geschäftsführer der Silly-Brauerei im gleichnamigen Ort.

Wenn Van der Haegen und seine Kollegen dieser Tage ihre alten Geschäftskontakte anrufen, hat sich vieles geändert. „Einige Kunden sind pleite. Jeder Tag zählt, um wieder zu öffnen“, sagt der Manager. Im Oktober hatte die Silly-Brauerei nach der Schließung der Gastronomie unzählige Fässer Bier wegschütten müssen. Bis Samstag wieder zu produzieren und auszuliefern, ist eine logistische Herausforderung.

„Vom Braubeginn bis zur Verkostung dauert es etwa vier bis sechs Wochen. Wir sind gerade dabei, die Teams zurückzurufen, um die gesamte Logistik vorzubereiten, Bestellungen vorzubereiten, Kunden anzurufen, um ihren Bedarf zu erfragen und Lieferungen zu planen“, erläutert Van der Haegen. In normalen Zeiten produziert die Brauerei zweieinhalb Millionen Liter pro Jahr. Helles, Dunkles, Weißbier, Trappistenbier, Fruchtbier: Die Silly-Brauerei hat sie alle und verkauft auch in die USA und nach China.

Nicht nur für die Brauer und Gäste ist die Wiedereröffnung der Terrassen eine Erleichterung, auch die Wirte atmen durch. Barbetreiber Sébastien Weverbergh in Silly sagt, dass der Staat zwar alles in seiner Macht Stehende getan habe, die Hilfen dennoch „manchmal ein bisschen lächerlich im Vergleich zu den Kosten“ gewesen seien.

Aktuell gilt die Reduzierung der Mehrwertsteuer für das Hotel- und Gaststättengewerbe bis zum 30. September. Die Brauindustrie, die sich sehr für die Wiedereröffnung eingesetzt hat, wird als Motor für den Aufschwung gesehen. Zugleich fürchten einige Belgier einen Anstieg der Fallzahlen im Land, wo bisher 24.000 Menschen infolge der Corona-Pandemie starben.

Die Bierindustrie in ganz Europa dürstet nach Öffnung. Vor der Corona-Krise gab es rund 11.000 Brauereien in Europa – eine Zahl, die nicht zuletzt wegen der in Mode geratenen Craftbiere kontinuierlich gestiegen war. Doch 2020 gingen die Verkäufe in Bars und Restaurants um 42 Prozent zurück; aktuell sind die Brauereien nur zu 50 Prozent ausgelastet.

Der Deutsche Brauer-Bund, Vertreter der rund 1500 Brauereien hierzulande, klagte erst Ende April am Tag des Bieres, das Ausmaß des Schadens werde von Woche zu Woche größer. In Brauereien unterschiedlichster Größe wie auch im Gastgewerbe stehen demnach nicht nur zahllose Arbeitsplätze auf dem Spiel – sondern auch „ein unwiederbringlicher Teil unseres gesellschaftlichen Lebens und unserer vielfältigen Kultur“.

So argumentiert auch Simon Spillane, Sprecher der europäischen Brauereivereinigung mit rund 30 nationalen Verbänden als Mitglied: Der Genuss eines Bieres auf der Terrasse eines Restaurants oder einer Bar sei für die Gesellschaft „ein Symbol für den Beginn des Aufschwungs“.

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