Nach der Waffenruhe zwischen Israel und der palästinensischen Hamas konzentrieren sich die internationalen Bemühungen nun auf eine Festigung der Feuerpause und den Wiederaufbau des stark zerstörten Gazastreifens. US-Präsident Joe Biden sprach sich für einen von der internationalen Gemeinschaft finanzierten „Wiederaufbau“ aus und schickte am Montag seinen Außenminister Antony Blinken zu persönlichen Gesprächen in die Region. Gleichzeitig betonte Biden die Notwendigkeit einer Zwei-Staaten-Lösung.
Er handele im Auftrag von Biden, teilte Blinken in Washington mit, der noch am Montag abreisen wollte. Stationen seiner Reise werden Jerusalem, Ramallah, Kairo und Amman sein. Ziel sei es, die aktuell geltende Feuerpause „zu stärken“. Unter anderem wolle er den israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas treffen.
Nach elftägigen heftigen Raketenangriffen zwischen Israel und der Hamas war in der Nacht zum Freitag eine vor allem von Ägypten vermittelte Feuerpause in Kraft getreten. Zu ihrer Überwachung trafen am Samstag zwei ägyptische Delegationen in Israel und den palästinensischen Gebieten ein, wie ägyptische Staatsmedien berichteten. Der UN-Sicherheitsrat rief beide Seiten zur „vollständigen“ Einhaltung der Waffenruhe auf – in einer am Samstag erstmals seit Beginn der Eskalation der Gewalt von allen Mitgliedern des Gremiums getragenen Erklärung, wie es aus diplomatischen Kreisen hieß.
Da die Waffenruhe hielt, versuchten die Menschen im Gazastreifen, sich inmitten der Zerstörungen wieder einen Alltag aufzubauen. Nach UN-Angaben wurden rund tausend Wohnungen in dem verarmten Palästinensergebiet durch israelische Raketenangriffe zerstört, tausende Einwohner wurden obdachlos. Über einen israelischen Grenzübergang trafen die ersten Hilfstransporte mit dringend benötigten Medikamenten, Lebensmitteln und Benzin ein.
Die Behörden begannen mit der Verteilung von Zelten, Matratzen und Decken an die Bedürftigen. In einem schwer beschädigten Viertel von Gaza-Stadt schaufelten die Einwohner am Sonntag laut dem Bericht eines AFP-Korrespondenten teilweise mit den Händen Dreck und Geröll eingestürzter Gebäude auf einen Esel-Wagen. Der Nothilfefonds der Vereinten Nationen gab insgesamt 18,5 Millionen Dollar für humanitäre Maßnahmen frei.
Durch die elftägige Gewalteskalation wurden nach Angaben beider Seiten mehr als 250 Menschen getötet, die meisten der Opfer waren Palästinenser. Israel versichert, es habe mit seinen Luftangriffen vor allem die militärischen Fähigkeiten der radikalislamischen Hamas in Gaza treffen wollen.
Nach Angaben des UN-Büros für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (Ocha) zwangen die israelischen Luftangriffe 91.000 Menschen im Gazastreifen zur Flucht aus ihren Häusern. Mindestens 6000 Menschen wurden demnach obdachlos, rund 800.000 Menschen haben keinen regelmäßigen Zugang zu Wasser.
US-Präsident Biden kündigte an, er werde sich für einen international finanzierten „Wiederaufbau“ im Gazastreifen einsetzen. Dabei müsse aber verhindert werden, dass sich die Hamas erneut bewaffne. Der Vorsitzende der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, Manfred Weber (CSU), sprach sich dafür aus, EU-Gelder für das palästinensische Schulsystem darauf zu überprüfen, dass diese nicht in antisemitische oder israel-feindliche Projekte fließen.
Gleichzeitig betonte Biden, die Schaffung eines palästinensischen Staates an der Seite Israels sei die „einzige Antwort“ auf den Konflikt. „Wir brauchen immer noch eine Zwei-Staaten-Lösung“, sagte er. Die Friedensgespräche liegen seit 2014 auf Eis, unter anderem wegen des Streits um den Status von Ost-Jerusalem und die israelischen Siedlungen im besetzten Westjordanland.
Neue Vorfälle in Jerusalem machten aber die anhaltenden Spannungen deutlich. Nachdem am Freitag auf dem Tempelberg hunderte Menschen nach Polizeiangaben Beamte mit Steinen und Brandbomben beworfen hatten, wurden am Montag zwei junge Israelis nahe einer Straßenbahn-Haltestelle niedergestochen. Polizisten hätten den Angreifer erschossen, teilte die Polizei mit. Angaben zur Identität des Täters machte sie nicht, eines der Opfer war Soldat.
Allerdings gab es in Jerusalem auch Zeichen der Entspannung: Erstmals seit rund drei Wochen konnten am Sonntag jüdische Besucher wieder auf das Gelände rings um die Al-Aksa-Moschee.