Milliardenschwere Corona-Hilfen, aber eine stockende EU-Reform: Die vorläufige Bilanz des deutsch-französischen Tandems von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Emmanuel Macron hat Licht wie Schatten. Ein Überblick anlässlich des letzten Ministerrats unter gemeinsamer Leitung der Kanzlerin und des französischen Präsidenten:
Corona-Pandemie
Die Einigung Merkels und Macrons auf den 750 Milliarden Euro schweren Corona-Rettungsfonds der EU wird im Umfeld des französischen Präsidenten als „Höhepunkt“ der vierjährigen Zusammenarbeit gesehen. Macrons Forderung, das Paket „nachzubessern“ noch bevor die Mittel überhaupt ausgegeben sind, stößt in Berlin allerdings auf Skepsis.
Freundschaftsvertrag und Weltkriegs-Gedenken
Als „große Errungenschaft“ bezeichnet die Bundesregierung den Freundschaftsvertrag von Aachen, den Merkel und Macron im Januar 2019 unterzeichneten. Er ebnete unter anderem den Weg für die gemeinsame Parlamentarier-Versammlung mit 100 Abgeordneten, die regelmäßig tagt. Die Freundschaft beider Länder besiegelten Merkel und Macron auch symbolisch im November 2018, als sie 100 Jahre nach Ende des Ersten Weltkriegs gemeinsam gedachten.
Stockende Reform Europas
Viele von Macrons Europa-Reformideen blieben auf der Strecke. Mit seinem Vorstoß für ein eigenes Eurozonen-Budget und einen europäischen Finanzminister machte er sich in Berlin keine Freunde, dann kam der Brexit dazwischen. Für einen deutsch-französischen Überraschungscoup sorgte der französische Präsident jedoch, als er Ursula von der Leyen als neue EU-Kommissionschefin durchsetze.
Kampfjet und „europäische Armee“
Als „Durchbruch“ feiern Berlin wie Paris die jüngste Einigung, das gemeinsame Projekt für ein Kampfflugzeug und eine Drohne voranzutreiben. Insider halten es wegen der unterschiedlichen Verteidigungs-Schwerpunkte aber weiter für „extrem kompliziert“. Macrons ursprüngliche Forderung nach dem Aufbau einer „echten europäischen Armee“ verhallte in Berlin.
Konfliktherde Ukraine und Mali
In der Außen- und Verteidigungspolitik bemühten sich Merkel und Macron unter anderem um eine Vermittlung in der Ostukraine; zuletzt verschärfte sich der Konflikt aber nach dem vorübergehenden russischen Truppenaufmarsch. Auch der gefährliche Bundeswehr-Einsatz in Mali steht nach Einschätzung der deutschen Opposition in Frage, weil Macron wegen des jüngsten Militärputsches in dem Land mit einem Abzug seiner Kampftruppen aus der Region droht.
Ringen um Atomkraft und Nord Stream
In der Energie- und Klimapolitik ziehen Deutschland und Frankreich häufig an einem anderen Strang: Wegen des deutschen Atomausstiegs sieht die Bundesregierung Macrons Versuche mit Argwohn, die Atomkraft bei der EU als „nachhaltig“, klimaschonend und damit förderwürdig anerkennen zu lassen. Paris forderte seinerseits einen Stopp des Pipeline-Projekts Nord Stream 2, was die Bundesregierung bisher ablehnt.