Im Prozess um einen islamistisch motivierten Messerangriff auf zwei Männer in Dresden hat das sächsische Oberlandesgericht (OLG) die Höchststrafe gegen den Angeklagten verhängt. Das Gericht verurteilte Abdullah A. am Freitag wegen Mordes, versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung zu lebenslanger Haft. Zudem stellte es die besondere Schwere der Schuld fest und behielt sich die anschließende Anordnung einer Sicherungsverwahrung vor.
Mit ihrem Urteil folgten die Richter den Forderungen der Bundesanwaltschaft. Die Verteidigung hatte nicht auf ein bestimmtes Strafmaß plädiert, sondern für den 21-jährigen Angeklagten die Anwendung des Jugendstrafrechts gefordert. Dafür sah das OLG aber keine Voraussetzungen.
Die Richter sahen es als erwiesen an, dass der als islamistischer Gefährder eingestufte Syrer im Oktober vergangenen Jahres in der Dresdner Altstadt unvermittelt auf zwei Männer aus Nordrhein-Westfalen eingestochen hatte, die er als Homosexuelle zu erkennen glaubte. Ein 55-Jähriger starb kurz darauf im Krankenhaus, dessen 53-jähriger Begleiter überlebte schwer verletzt.
Der Angeklagte „handelte aus einer radikalislamistischen Gesinnung“, sagte der Vorsitzende Richter Hans Schlüter-Staats in der Urteilsbegründung. Sein Ziel sei es gewesen, das Leben der Tatopfer als Vertreter einer von ihm als „ungläubig“ angesehenen freiheitlichen Gesellschaftsordnung auszulöschen. „Er wollte beide mit dem Tod bestrafen.“
A. habe aus „religiöser Verblendung“ gehandelt. Die Tat mache „fassungslos“. Schlüter-Staats schilderte, wie die beiden Männer, die seit sieben Jahren ein Paar waren, in ihrem Urlaub durch Dresden schlenderten, bevor der Angriff erfolgte und „binnen einer Minute“ nichts mehr war wie zuvor. Das Leben eines Menschen sei ausgelöscht und ein anderer schwer verletzt worden, weil der Angeklagte sie als „Ungläubige“ angesehen habe.
Das Gericht sah zwei Mordmerkmale als erfüllt an. Der Täter habe hinterrücks und heimtückisch getötet und aus niederen Beweggründen gehandelt. „Er hat anlasslos zwei Menschen mit Tötungsabsicht angegriffen“, begründete Schlüter-Staats die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld, die eine vorzeitige Haftentlassung weitestgehend ausschließt.
„Seine religiöse Verirrung ist so festgewurzelt, dass er nach der Tat weitermorden wollte“, sagte der Vorsitzende Richter. Der Angeklagte sei „für die Allgemeinheit gefährlich“. Zum Schluss wandte sich der Vorsitzende Richter in persönlichen Worten an den Angeklagten, der die Urteilsbegründung mit unbewegter Miene aufnahm: „Ich bin selbst ein gläubiger Mensch, und deshalb sage ich Ihnen: Das, was Sie getan haben, ist wahrhaft gotteslästerlich gewesen.“
A. hatte die Tat nur wenige Tage nach einer Haftentlassung begangen. Er saß bereits einige Jahre in Haft wegen Werbens von Mitgliedern für die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) und weil er versuchte, im Netz eine Bauanleitung für einen Sprengsatz zu beschaffen. Der Angeklagte war im Oktober 2015 als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling nach Deutschland gekommen und radikalisierte sich laut Behörden seit Ende 2016 zunehmend.
Reue zeigte er in dem Prozess nicht. Gegenüber einem psychiatrischen Gutachter legte er allerdings ein Geständnis ab, indem er die Umstände des Messerangriffs und seine Motive ausführlich schilderte. Im Gerichtssaal selbst schwieg A. zu den Vorwürfen. Die Verteidigung will nun das Urteil prüfen.
Dass A. den tödlichen Messerangriff nur wenige Tage nach seiner Haftentlassung beging, obwohl er vom Landeskriminalamt und vom Verfassungsschutz observiert wurde und als islamistischer Gefährder eingestuft war, sorgte für Schlagzeilen. Dem Vorsitzenden Richer zufolge hätte die Tat aber mit den in Deutschland geltenden rechtsstaatlichen Mitteln nicht verhindert werden können.
Die Opferbeauftragten des Bundesregierung und der Bundesländer Sachsen und Nordrhein-Westfalen sicherten den Hinterbliebenen nach dem Urteil Unterstützung zu. „Unsere Gedanken und all unsere Solidarität sind auch heute bei dem Lebenspartner des Ermordeten, der die Tat schwer verletzt überlebt hat, und bei den Familienangehörigen“, erklärte der Beauftragte des Bundes, Edgar Franke, am Freitag in Berlin. „Wir stehen an ihrer Seite.“