Die US-Regierung will sich im Kampf gegen die Pandemie bei der Welthandelsorganisation (WTO) dafür einsetzen, dass der Patentschutz für Corona-Impfstoffe ausgesetzt wird. Die Europäische Union ist offen für solche Gespräche. Aber was ist ein Patent und was hat die WTO damit zu tun? Ein Überblick über die wichtigsten Fragen:
WAS IST EIN PATENT?
Wer etwas Neues erfindet, riskiert Nachahmer – besonders dann, wenn die technische Erfindung wirtschaftlich erfolgreich ist. Er oder sie kann sich deshalb eine solche Erfindung patentieren lassen. Damit kann Anderen untersagt, aber auch erlaubt werden, einen Gegenstand ebenfalls herzustellen oder ein Verfahren ebenfalls anzuwenden. Werden diese Rechte verletzt, kann dagegen geklagt werden.
Angemeldet werden Patente im jeweiligen Land, hierzulande beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA). Es gewährt nach erfolgreicher Prüfung für maximal 20 Jahre ein „räumlich begrenztes Nutzungsmonopol“ – ein exklusiver Marktzugang ist also garantiert. Im Gegenzug fällt eine jährlich steigende Gebühr an. Wer sein Produkt über sein Land hinaus schützen will, kann sich an das Europäische Patentamt (EPA) und schließlich an die Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) wenden.
WIE SIEHT ES MIT PATENTEN AUF CORONA-IMPFSTOFFE AUS?
Zwar dürften spezifische Patente auf Covid-19-Impfstoffe mittlerweile angemeldet sein. Veröffentlicht wird das aber erst 18 Monate danach und die Prüfung dauert in der Regel Jahre. Also ist „frühestens in drei Jahren mit ersten Patenterteilungen für die neuen Impfstoffe zu rechnen“, wie das Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb betont.
Allerdings beruhen die modernen Impfstoffe wie Biontech und Moderna auf Technologien, die bereits patentiert sind. Für Impfstoffhersteller sind derzeit also nur bereits erteilte Patente von Bedeutung, sagt auch der Rechtsanwalt und Patentexperte Andreas von Falck von Hogan Lovells.
WIESO KOMMT DIE WTO INS SPIEL?
Die WTO stellt nicht nur Regeln für den globalen Handel auf und baut Hemmnisse ab, sondern die Organisation regelt auch Mindeststandards für den Schutz der Rechte an geistigem Eigentum, an die sich die Mitgliedstaaten halten müssen. Grundlage dafür ist das Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte an geistigem Eigentum (TRIPS). Indien und Südafrika machen seit geraumer Zeit bei der WTO Druck beim Thema Patente auf Corona-Impfstoffe.
Aufheben kann die WTO den Patentschutz nicht, sie kann aber Mitglieder von Verpflichtungen, die sich aus dem TRIPS ergeben, entbinden. Dann müssten die Länder dies bei Bedarf über einen nationalen Gesetzgebungsakt selbst umsetzen. Erst dann kann das Produkt dort hergestellt und vertrieben werden – exportiert werden kann es wiederum nur in andere Länder, wenn dort der Patentschutz nicht gefährdet wird.
WAS IST MIT DEN HERSTELLERN?
Erste Folgen des US-Vorstoßes bekamen die Pharmaunternehmen direkt zu spüren. So stürzten die Aktien von Biontech, Pfizer und Moderna ab und auch die Papiere von Curevac und Novavax gaben nach – deren Corona-Impfstoffe sind noch gar nicht zugelassen.
Setzt die WTO nun TRIPS-Verpflichtungen aus und setzt ein Land dies um, muss der Patentinhaber der Nutzung durch Dritte nicht mehr zustimmen. „Eine Klage dagegen wäre also aus dem Patentrecht nicht möglich“, erläutert von Falck. Möglich wäre stattdessen, gegen den nationalen Gesetzgebungsakt vorzugehen, etwa über eine Verfassungsbeschwerde. Ob die Patentinhaber Entschädigungen erhalten, hängt davon ab, ob die WTO die Aussetzung von einer Vergütung abhängig macht oder die einzelnen Staaten eine solche einführen.
WELCHE PROBLEME KÖNNTEN AUFTRETEN?
Grundsätzlich verweisen Experten darauf, dass fraglich ist, wie schnell ein Unternehmen in Indien oder Südafrika überhaupt in der Lage wäre, die technischen Voraussetzungen und die nötige Infrastruktur für eine Impfstoffproduktion aufzubauen. „Die Lieferschwierigkeiten zu Beginn der Krise zeigen, dass es selbst für etablierte Unternehmen in diesem Bereich schwierig ist, Produktionskapazitäten schnell hochzufahren“, sagt von Falck.
Außerdem könnten die Produktionsprobleme auch über Lizenzen gelöst werden, die die Unternehmen vergeben. TRIPS sieht sogar unter dem Gesichtspunkt der „Gesundheitssicherung im öffentlichen Interesse“ das Instrument der Zwangslizenz vor.