Berufungsprozess um Schadenersatz für Arzt nach Freispruch in Organspendeprozess

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Symbolbild: Patient im OP

Vor dem Oberlandesgericht Braunschweig hat am Montag der Berufungsprozess um Schadenersatz von über 1,1 Millionen Euro für einen ehemaligen Arzt aus Göttingen begonnen, die dieser nach seinem Freispruch in einem Prozess um vermeintliche Manipulationen bei der Vergabe von Spenderorganen vom Land Niedersachsen fordert. Nach Angaben einer Gerichtssprecherin ließen die Richter erkennen, dass sie die Forderung für berechtigt halten.

Einer vorläufigen rechtlichen Bewertung des OLG zufolge hat die Berufung des Bundeslands gegen ein erstinstanzliches Urteil des Landgerichts in Braunschweig, das dem Transplantationsmediziner Aiman O. vor rund einem Jahr 1,17 Millionen Euro zusprach, nur wenig Erfolgsaussichten. Demnach hält der zuständige Senat die Feststellungen der Vorinstanz für korrekt. Eine abschließende Entscheidung im dem Fall verkünden die Richter am 28. Oktober.

Der frühere leitende Oberarzt der Göttinger Uniklinik klagt auf Schadenersatz wegen Vermögensschäden durch Untersuchungshaft und andere Strafverfolgungsmaßnahmen. Der Mediziner wurde 2013 bei den Ermittlungen zum Organspendeskandal an dem Krankenhaus in der niedersächsischen Stadt zunächst wegen des Verdachts auf Korruptionsdelikte für rund elf Monate in Untersuchungshaft genommen. Er kam erst frei, als er eine Kaution stellte.

Später wurde O. dann wegen versuchten Totschlags angeklagt und in einem Strafverfahren vor Gericht gestellt. Das Landgericht Göttingen sprach ihn 2015 frei. Auch der Bundesgerichtshof sah später kein strafrechtlich relevantes Verhalten. Das Urteil ist seit 2017 rechtskräftig. In einem Zivilverfahren verklagte er das Land Niedersachsen danach vor dem Landgericht Braunschweig auf Schadenersatz in einer Höhe von rund 1,2 Millionen Euro.

Fast der gesamte geltend gemachte Vermögensschaden resultiert dabei nach Angaben des Mediziners aus Verdienstausfällen, weil ihm wegen seiner Haft eine bereits fest zugesagte gut dotierte Stelle an einem jordanischen Krankenhaus entging. Dazu kommt ein Posten von rund 80.000 Euro für Zinsschäden, weil seine Familie für die Kautionszahlung einen Kredit aufnehmen musste.

In dem ersten Prozess vor dem Landgericht bestritt das Land erfolglos die Berechtigung der finanziellen Forderungen. Die Richter dort sahen es nach der Vernehmung eines Vertreters der jordanischen Klinik als erwiesen an, dass O. die Stellung mit einem Monatsgehalt Gehalt von 50.000 Dollar (aktuell etwa 42.700 Euro) tatsächlich nur aufgrund der Inhaftierung entging.

Auch die Forderung nach Schadenersatz für den Zinsschaden sahen sie als berechtigt an. Der für die Berufung zuständige Senat des OLG erkannte laut Gerichtssprecherin in einer vorläufigen rechtlichen Auffassung keine Fehler in diesen Annahmen. Demnach würde er lediglich einen vergleichsweise kleinen Betrag als „Vorteilsausgleich“ von der geforderten Gesamtsumme abziehen, weil sich der Arzt in Untersuchungshaft nicht selbst verpflegen musste und ihm keine Kosten für seine Unterkunft entstanden.

In dem Organspendeskandal ging es darum, dass Patienten durch die Meldung falscher Informationen an die Koordinierungsstelle Eurotransplant bei der Vergabe von Spenderorganen bevorzugt wurden. Konkret ging es um Angaben, wie lange von O. behandelte Alkoholiker bereits „trocken“ waren. Nach dem Skandal an dem Klinikum brachen die Organspenderzahlen bundesweit stark ein.

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