Tipps fürs Homeoffice: Kann ich im Pyjama arbeiten?

In Zeiten von Corona arbeiten viele Menschen zu Hause. - sirtravelalot/Shutterstock
In Zeiten von Corona arbeiten viele Menschen zu Hause. - sirtravelalot/Shutterstock

Viele Menschen arbeiten wegen der Corona-Krise nun im Homeoffice. Wie klappt die Umstellung am besten und wie motiviert man sich am heimischen Schreibtisch? Bettina Wittmann, Expertin für Remote Arbeit und CEO von weBOUND marketing & We Work Location Independent, hat als Expertin für New Work und Remote-Arbeit einen Leitfaden entwickelt: „Plötzlich Home Office – Der Corona Virus Notfall Leitfaden für Arbeitgeber, Arbeitnehmer & Selbstständige“. Im Interview erklärt sie, ob es schadet, im Schlafanzug zu arbeiten.

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Was ist der wichtigste Ratschlag, den Sie Arbeitnehmern, die es nun ins Homeoffice verschlägt, mitgeben können?

Bettina Wittmann: Von zu Hause aus zu arbeiten, eröffnet erst mal neue Freiheiten. Doch der gewonnenen Flexibilität steht auch eine gewisse Unkalkulierbarkeit gegenüber. Um die Freiheiten möglichst gut nutzen zu können, ohne sich davon überfordert zu fühlen, sollte man zu Beginn einer Homeoffice-Phase versuchen, den persönlichen Arbeitsrhythmus besser kennenzulernen und herauszufinden, unter welchen Bedingungen man am produktivsten ist.

Die Anpassungen des Arbeitsverhaltens sind komplett individuell und basieren – falls der Job das zulässt – auf persönlichen Bedürfnissen: Sind Sie beispielsweise eher ein Morgenmensch? Dann sollte man die wichtigsten Aufgaben des Tages in den frühen Stunden einplanen, wenn das möglich ist. Am Anfang kann es etwas dauern, bis man die Muster im eigenen Verhalten erkennt und versteht. Man sollte sich daher am besten etwas Zeit nehmen, um die besten Optionen für sich selbst zu identifizieren und diese Erkenntnisse zum Vorteil nutzen zu können.

Darüber hinaus ist es nun wichtig, innerhalb der Familie zu signalisieren, dass man zwar zu Hause, aber trotzdem eigentlich auf der Arbeit ist – denn „kurze“ Zwischenfragen können sonst schnell immer wieder aus dem Arbeitsfluss herausreißen. Dabei hilft zum Beispiel ein Raum, in dem man die Tür zumachen kann oder ein extra Arbeitsbereich. Notfalls auch ein Gegenstand, der signalisiert, dass man gerade nicht gestört werden will. Mit der Familie bzw. allen Menschen, mit denen man zusammenwohnt, sollte auch die aktuelle Lage besprochen werden und falls möglich der Ablauf einander angepasst werden – Essenszeiten, Kinderspielzeiten – und wer für was verantwortlich ist. Dadurch werden alltägliche Reibereien reduziert. Bei Single-Haushalten ist es umso wichtiger die möglicherweise auftretende Einsamkeit zu reduzieren. Dies geht zum Beispiel durch Video-Lunch-Meetings.

Was muss ich beachten, wenn ich im Homeoffice nur noch digital mit den Kollegen kommunizieren kann? Was ändert sich dadurch im Umgang?

Wittmann: Gerade in Zeiten wie diesen ist die Kommunikation das Wichtigste. Denn oft blendet man die Welt draußen aus, wenn man schon länger von zu Hause aus arbeitet, manchmal absichtlich, manchmal auch aus Versehen. Idealerweise werden regelmäßige Online-Stand-ups – also kurze Update-Meetings, in denen jeder erzählt, woran er gerade arbeitet – eingeführt, die wir zumindest einmal pro Woche empfehlen und zusätzlich regelmäßige Check-Ins via einer Kommunikationssoftware. Dabei schreibt jeder, woran er heute arbeitet und am Tagesende, woran er gearbeitet hat oder wobei er noch Hilfe benötigt. So sind alle auf einem Stand.

Darüber hinaus ist es wichtig, den geeignetsten Kommunikationskanal zu finden und dabei zu bleiben, um Verwirrung zu vermeiden: Handelt es sich lediglich um die Klärung einer kurzen Ja-Nein-Frage, so ist eine schriftliche Notiz im Teamchat oft der schnellste Weg. Sind jedoch größere Fragen und Abläufe zu klären oder Ideen ausführlich zu illustrieren oder sogar weiterzuentwickeln, so legen sich all jene, die dies über schriftliche Medien ausführen, selbst Steine in den Weg. Hier heißt es: Schreiben ist Silber, Reden ist Gold! Besonders effektiv ist hier die Kombination aus Video-Chat und Screen-Sharing, bestenfalls mit einer Mindmap oder Whiteboard-Integration. Kurze Zusammenfassungen können dann zusätzlich verschriftlicht werden, um das zeitintensive Ansehen von langen Videoaufnahmen zu vermeiden.

Wie verhindert man, dass sich zu Hause Arbeit und Privatleben zu sehr vermischen?

Wittmann: Auch hier ist klare Kommunikation das A und O: Kommunizieren Sie, von wann bis wann gearbeitet wird und wann dies nicht mehr zur Arbeit zählt. Gerade in ungewöhnlichen Situationen wie diesen kann es sein, dass Vorgesetze oder Kollegen auch abends schreiben, um schnell noch etwas zu erledigen. Insofern die Arbeitszeit nicht vom Chef vorgegeben wird, kann es auch von Vorteil sein, sich die Zeit selbst einzuteilen. Jedoch sollte man unbedingt regelmäßige Pausen einkalkulieren – zum Beispiel durch die Pomodoro-Technik. Das bedeutet: In kurzen Abständen werden Powersprints veranstaltet, während denen man besonders konzentriert arbeitet. Nach X Minuten ist es dann Zeit für eine fünfminütige Pause.

Andernfalls heißt es, sich an reguläre Arbeitszeiten zu halten und da auch konsequent zu sein. Denn auch ich weiß aus eigener Erfahrung, dass man schnell mal um 21.30 Uhr aufspringen kann, wenn eine Nachricht vom Arbeitgeber aufpoppt, weil man noch etwas erledigen sollte und man das „ja noch schnell machen kann“. Insofern man sich selbst schwer mit einer Trennung der Bereiche tut, hilft es eventuell ein Gespräch mit Kollegen oder sogar mit dem Vorgesetzten zu suchen.

Zu Hause genießen es viele Menschen, bequeme Kleidung zu tragen. Beeinflusst das das Arbeitsverhalten?

Wittmann: Ich denke, das ist ganz individuell. Wenn es danach geht, hätte ich, wie Karl Lagerfeld sagte, schon lange die Kontrolle über mein Leben verloren… Ich arbeite sehr oft in Jogginghose, es gibt sogar Tage, an denen ich gar nicht den Pyjama ausziehe. Beeinträchtigt dies meine Arbeitsergebnisse? Ich denke nicht, außer, dass meine Instagram-Stories manchmal nicht so stylisch aussehen. Kann ein schönes Outfit mein Selbstbewusstsein steigern und mich dadurch erfolgreicher verkaufen lassen – zum Beispiel bei Erstgesprächen? Bestimmt! Ich weiß jedoch auch von Kollegen, dass sie sich besser fühlen, wenn sie morgens so tun, als ob sie regulär in ihr Büro gehen würden und sich genauso schick machen. Manche allerdings auch nur die oberen 50 Prozent, da auch die Hose nicht bei den Video-Gesprächen gezeigt wird.

Wie motiviert man sich zu Hause?

Wittmann: Das kommt ganz auf die eigene Persönlichkeit an. Manche Menschen sind motivierter als andere – von Natur aus oder weil sie mehr in ihrer Rolle aufgehen. In solchen Phasen empfehle ich, sich auch auf die positiven Seiten zu konzentrieren und sich gerade in der jetzigen Situation bewusst zu machen, dass alle an einem Strang ziehen müssen. Wenn die Arbeit schneller erledigt ist oder man sich sogar effizienter im Homeoffice zeigt, dann kann es sein, dass der Chef in Zukunft öfter Homeoffice zulässt und man dadurch vielleicht sogar seine Urlaube durch sogenannte Workations verlängern kann.

Wenn man so gar keine Motivation hat, dann würde ich mit den Dingen anfangen, die mir am meisten Spaß machen, oft bin ich dann schon so im Thema drinnen, dass es mich gar nicht stört, weiterzumachen. Andere empfehlen wiederum, mit dem anzufangen, was am schwersten fällt, weil sie es dann bereits erledigt haben – das gibt Schwung, weiterzumachen, wenn dieser „Brocken“ schon weg ist. Vielleicht stellen Sie aber nach Punkt eins fest, dass Ihr Arbeitsverhalten gar nicht dem den klassischen Bürozeiten entspricht und Sie abends viel produktiver sind? Wenn möglich, lässt sich Ihr Chef langfristig sogar auf eine Lösung ein, bei der Sie die Motivations- und Produktivitätshochs besser nutzen können.

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