EU-Kommissar Gentiloni warnt vor zu schneller Rückkehr zu Defizitregeln

Das Europäische Parlament in Brüssel von außen
Das Europäische Parlament in Brüssel von außen

EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni hat vor einer zu schnellen Rückkehr zu den wegen der Corona-Pandemie ausgesetzten europäischen Defizit- und Schuldenregeln gewarnt. Die Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspakts könnten erst wieder in Kraft gesetzt werden, „wenn dieser schwere Wirtschaftsabschwung, der die gesamte europäische Wirtschaft betrifft, vorbei ist“, sagte der Italiener am Freitag beim Treffen der EU-Finanzminister in Berlin. Es sei klar, dass auch im kommenden Jahr eine staatliche Unterstützung der Wirtschaft nötig sei. 

Wegen der Corona-Krise hatte die EU-Kommission im März erstmals überhaupt die europäischen Regeln für Haushaltsdefizite und Gesamtverschuldung der Mitgliedstaaten ausgesetzt. Dies soll es den Regierungen ermöglichen, massive Konjunktur- und Hilfsprogramme für die Wirtschaft aufzulegen, ohne Sanktionen aus Brüssel fürchten zu müssen. 

Nach früheren Angaben wollte die EU-Kommission die Wiedereinführung der Defizit- und Schuldenregeln spätestens im Frühjahr kommenden Jahres prüfen. Gentiloni verwies nun darauf, dass seine Behörde davon ausgeht, dass „die meisten Mitgliedstaaten das Niveau vor der Krise bei der Wirtschaftsleistung Ende 2021 nicht erreicht haben werden“. Im Schnitt würden sie noch rund 2,5 Prozent darunter liegen.

Die Erholung sei zudem noch mit vielen Unsicherheiten behaftet, sagte Gentiloni weiter. Ein vorzeitiges Ende der staatlichen Unterstützungsprogramme könnte demnach „die zerbrechliche Erholung in Gefahr bringen“. Der Zeitpunkt der Wiedereinführung der Defizit- und Schuldenregeln sei deshalb wichtig.

Auch die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, verwies auf ungewisse Wirtschaftsaussichten. Die Erholung sei „umgeben von vielen Unsicherheiten“, etwa der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt und der Entwicklung der Pandemie. 

Es dürfe deshalb „keine Selbstgefälligkeit“ geben, sagte Lagarde in Berlin. Die expansive Geldpolitik ihrer Bank im Kampf gegen die Krise brauche Unterstützung durch eine aktive Haushaltspolitik in den Mitgliedstaaten.

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