EU-Recht steht Vergewaltigungsurteil gegen „Maddie“-Verdächtigen nicht entgegen

Symbolbild: EuGH
Symbolbild: EuGH

Ein im vergangenen Jahr verhängtes Vergewaltigungsurteil gegen den deutschen Verdächtigen im Fall „Maddie“ kann bestehen bleiben. Es verstößt nicht gegen das EU-Recht, auch wenn Christian B. ursprünglich wegen einer anderen Tat an Deutschland ausgeliefert wurde, wie der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg am Donnerstag entschied. Die gegen B. laufenden Mordermittlungen im Fall „Maddie“ sind davon unabhängig. (Az. C-195 20 PPU)

2017 wurde B. wegen sexuellen Kindesmissbrauchs auf Grundlage eines europäischen Haftbefehls von Portugal an Deutschland ausgeliefert. Nach einer verbüßten Haftstrafe verließ er Deutschland 2018, wurde aber ein Jahr später von Italien erneut ausgeliefert. Grundlage war ein zweiter europäischer Haftbefehl wegen eines früheren Drogendelikts. In der Zwischenzeit wurde noch ein Untersuchungshaftbefehl wegen des Verdachts der Vergewaltigung einer 72-Jährigen gegen ihn ausgestellt. Die italienischen Behörden willigten auch in die Verfolgung dieser Vergewaltigung ein. 

Dafür wurde B. in Braunschweig der Prozess gemacht, wo das Landgericht im Dezember 2019 eine siebenjährige Haftstrafe verhängte. Diese soll er ab Jahresbeginn 2021 absitzen, wenn die Haftstrafe wegen Drogenhandels verbüßt ist. Er legte beim Bundesgerichtshof (BGH) Revision gegen das Urteil ein, der wiederum den EuGH um Klärung bat. 

B. forderte, das Vergewaltigungsurteil aufzuheben, weil er ursprünglich auf Grundlage des ersten europäischen Haftbefehls – also wegen einer anderen Straftat – an Deutschland ausgeliefert worden war. Nach europäischem Recht müsse sich die Strafverfolgung auf die Tat beschränken, wegen derer der Haftbefehl ausgestellt worden war, argumentierte er.

Dieser sogenannte Grundsatz der Spezialität stehe dem Urteil aber nicht entgegen, entschied der EuGH nun. B. habe das deutsche Hoheitsgebiet nach der ersten Haftstrafe freiwillig verlassen, und die italienischen Behörden, die ihn beim zweiten Mal auslieferten, hätten ihre Zustimmung zur Verfolgung der Vergewaltigung erteilt. Somit sei er „nicht mehr berechtigt, sich auf den Grundsatz der Spezialität im Zusammenhang mit diesem ersten europäischen Haftbefehl zu berufen.“

Der BGH muss das Braunschweiger Urteil nun noch auf Formfehler prüfen. Gibt es keine, wird es im Dezember rechtskräftig und B. bleibt auch nach dem Jahreswechsel in Haft. Auch eine weitere Untersuchungshaft im Fall „Maddie“ ist zudem möglich. In diesem Fall ermittelt die Staatsanwaltschaft Braunschweig wegen Mordverdachts gegen ihn.

B. wird verdächtigt, 2007 in Portugal die damals dreijährige Britin Madeleine „Maddie“ McCann entführt und ermordet zu haben. In den vergangenen Wochen leitete die Staatsanwaltschaft gegen ihn noch zwei Ermittlungsverfahren ein – wegen eines weiteren Vergewaltigungsvorwurfs und eines weiteren Vorwurfs von sexuellem Kindesmissbrauch. Beide Taten sollen zwischen 2004 und 2007 in Portugal begangen worden sein.

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