FDP-Fraktionschef Christian Lindner hat scharfe Kritik an der Entscheidungsmacht der Regierungsspitzen von Bund und Ländern in der Corona-Krise geübt. „Der Ort der Entscheidung muss das Parlament sein“, forderte Lindner am Donnerstag im Bundestag. Wenn es die Beschlüsse nur noch nachträglich zur Kenntnis nehmen könne, gefährde das nicht nur die Akzeptanz der Maßnahmen. Solche Entscheidungsprozesse hätten auch „erhebliche rechtliche Risiken und drohen unsere parlamentarische Demokratie zu deformieren“.
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sagte in der Debatte nach der Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), seine Fraktion unterstütze die am Mittwoch gefassten Bund-Länder-Beschlüsse. Nach sieben Monaten Pandemielage müssten aber weitere Konkretisierungen im gesetzgeberischen Bereich erfolgen, über die sich die demokratischen Fraktionen im Bundestag verständigen sollten.
Als Punkte nannte Mützenich unter anderem „konkretere rechtliche Leitplanken“ für die Regierungen, Zustimmungsvorbehalte für das Parlament, eine Begründungspflicht für Rechtsverordnungen und regelmäßige Berichtspflichten für Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Der SPD-Fraktionsvorsitzende verteidigte die neuen Maßnahmen zugleich als „dringend erforderlich und verhältnismäßig“: „Die Balance zwischen notwendigen Eingriffen und Hilfen für die Betroffenen sei gewahrt worden.
CDU/CSU-Fraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) wandte sich gegen den von Lindner erhobenen Vorwurf des „Aktionismus“ von Bund und Ländern. Die Bundes- und Landesregierungen hätten „immer wieder sehr sehr ernsthaft abgewogen, was geht und was nicht geht“, sagte er in der Debatte. Das Parlament sei seiner Ansicht nach der Aufgabe nachgekommen, „immer wieder auszubalancieren, was ist an Grundrechtseinschränkungen notwendig, was ist möglich“.
Brinkhaus verwies an die Adresse Lindners auf den Bund-Länder-Föderalismus in Deutschland. „Die Rechtsdurchsetzung obliegt den Ländern“, betonte er. Seine Auffassung von Parlamentarismus sei, die Regierung zu kritisieren und zu kontrollieren. Seine Auffassung sei aber auch, „in der größten Krise seit 1945 da, wo es eben möglich ist, diese Regierung zu unterstützen“.