Grünes Licht für finanzielle Sanktionen gegen EU-Rechtsstaatssünder

Europäische Union - Bild: Mauro Bottaro
Europäische Union - Bild: Mauro Bottaro

EU-Länder, die sich nicht an die Grundsätze des Rechtsstaats halten, sollen künftig finanziell sanktioniert werden können. Darauf verständigten sich am Donnerstag in Brüssel die Unterhändler der Mitgliedstaaten und des Europaparlaments. Die Einigung auf den sogenannten Rechtsstaatsmechanismus ist ein wichtiger Schritt hin zur endgültigen Annahme des nächsten mehrjährigen EU-Haushalts und des milliardenschweren Corona-Hilfsfonds.

Der erzielte Kompromiss folgt im Wesentlichen einem Vorschlag der deutschen EU-Ratspräsidentschaft. Demnach würde die EU-Kommission vorschlagen, ein Land für die Untergrabung gemeinsamer Werte zu sanktionieren, und die Mitgliedstaaten müssten diesen Beschluss mit einer qualifizierten Mehrheit bestätigen – dies wären 15 der 27 Mitgliedstaaten, die für 65 Prozent der EU-Bevölkerung stehen.

Die Hürde für die Kürzung von EU-Mitteln wird somit höher gelegt, als vom Parlament und der Kommission im vorangegangenen Streit gefordert. Diese hatten vorgeschlagen, dass die Sanktionsempfehlungen nur durch eine qualifizierte Mehrheit verhindert werden können sollte.

Auch ist die Möglichkeit vorgesehen, dass ein betroffener Mitgliedstaat sich gegen Sanktionen wehren kann. Fühlt sich ein Land zu Unrecht Mittelkürzungen ausgesetzt, kann es das Thema auf die Tagesordnung eines Treffens der EU-Staats- und Regierungschefs setzen. „Eine Blockade des Verfahrens ist damit jedoch nicht möglich“, sondern lediglich eine Verzögerung, erklärte die CSU-Abgeordnete Monika Hohlmeier.

Die Abgeordneten setzten sich demnach beim Anwendungsbereich des Mechanismus durch: Der deutsche Vorschlag sah Sanktionen lediglich bei einer nachweislichen Beeinträchtigung des EU-Haushalts durch rechtsstaatliche Mängel vor. Nun sollen auch Probleme bei der Unabhängigkeit der Justiz und „schwerwiegende Steuervergehen“ bestraft werden können. Auch sei eine „präventive“ Anwendung möglich, um „drohende Verstöße“ gegen die Rechtsstaatlichkeit mit Bezug zum Gemeinschaftshaushalt zu sanktionieren, erklärte Hohlmeier.

Der deutsche EU-Botschafter Michael Clauß, der stellvertretend für die Mitgliedstaaten die Verhandlungen geführt hatte, begrüßte die Einigung als „wichtigen Meilenstein“, um die Annahme des nächsten mehrjährigen Gemeinschaftshaushalt und damit verbunden den Corona-Hilfsfonds zum Abschluss zu bringen. Die Mitgliedstaaten hatten sich im Sommer auf ein Finanzrahmen von gut einer Billionen Euro für die Zeit von 2021 bis 2027 sowie einen 750 Milliarden Euro schweren Wiederaufbaufonds geeinigt.

Dem Haushalt muss das Parlament zustimmen. Weil die Abgeordneten mehr Mittel für bestimmte EU-Programme fordern, steckten die Verhandlungen zuletzt allerdings fest. „Es ist jetzt Zeit, auch beim Rest des Pakets eine Einigung zu finden“, erklärte Clauß. Angesichts der zweiten Welle der Corona-Pandemie, sei keine Zeit zu verlieren.

Der ausgearbeitete Kompromiss für den Rechtsstaatsmechanismus muss noch vom Parlamentsplenum und im Rat der Mitgliedstaaten bestätigt werden. Polen und Ungarn, die seit Jahren wegen rechtsstaatlicher Verfehlungen in der EU am Pranger stehen, wehren sich vehement dagegen – sie dürften im Kreis der Mitgliedstaaten aber erneut überstimmt werden. Beide Länder haben gedroht, in diesem Fall den Beschluss des Corona-Hilfsfonds mit ihrem Veto zu blockieren.

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