Haseloff verschafft der Kenia-Koalition etwas Luft bis zur Wahl

Reiner Haseloff - Bild: Bundesrat | Dirk Deckbar
Reiner Haseloff - Bild: Bundesrat | Dirk Deckbar

Am Ende hat Reiner Haseloff den großen Knall noch einmal abgewendet. Zwar sind sich die Koalitionsparteien in Sachsen-Anhalt im Streit um den Rundfunkbeitrag nach wie vor uneins. Mit der Rücknahme der Regierungsvorlage für den Medienstaatsvertrag durch den CDU-Ministerpräsidenten hat sich aber die vieldiskutierte Landtagsabstimmung erledigt. SPD und Grüne schlucken zähneknirschend, dass Sachsen-Anhalt die für den Jahresbeginn geplante Gebührenanhebung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk damit blockiert.

Seit Tagen wurde in Magdeburg um eine Lösung gerungen. Die Positionen waren dabei unerschütterlich: Die CDU lehnt den neuen Medienänderungsstaatsvertrag, der eine Beitragsanhebung um 86 Cent zum 1. Januar vorsieht, ab. SPD und Grüne beharrten auf einer Zustimmung und drohten mit einem Ende der Koalition, sollte die CDU gemeinsam mit der AfD den Staatsvertrag kippen.

Ein ums andere Mal stand die Kenia-Koalition, die seit 2016 ohnehin auf eher wackeligen Beinen stand, vor dem Bruch. Haseloff drohte die Kontrolle über das Bündnis und selbst die eigenen Parteifreunde zu verlieren. Als Landesinnenminister Holger Stahlknecht (CDU) am Freitag in einem Interview für den Fall eines Koalitionsbruchs eine CDU-Minderheitsregierung ankündigte, feuerte der Ministerpräsident seinen langjährigen Minister.

Die Rücknahme des Gesetzenwurfs zum Rundfunkstaatsvertrag geht auf einen Vorschlag der CDU-Fraktion zurück. SPD und Grüne, die bislang vehement auf eine Abstimmung pochten, gaben schließlich klein bei, um das Bündnis noch zu retten. „Wir erkennen an, dass der Ministerpräsident seine Entscheidung mit dem Ziel getroffen hat, eine gemeinsame Abstimmung von CDU und AfD zu verhindern und so die Koalition zu erhalten“, erklärte SPD-Fraktionschefin Katja Pähle.

„Unter normalen Umständen wäre dies der Moment, eine solche Koalition zu verlassen – derzeit sind aber keine normalen Zustände“, erklärte Grünen-Fraktionschefin Cornelia Lüddemann mit Blick auf die steigenden Corona-Zahlen. Und auch Grünen-Landeschef Sebastian Striegel sieht seine Partei in einer staatspolitischen Verantwortung, die Koalition weiter am Leben zu halten.

Tatsächlich hätte ein Platzen des Bündnisses gravierende Folgen gehabt. Mit SPD und Grünen wären der Wirtschaftsminister, die Umweltministerin und die Ministerin für Soziales aus der Landesregierung ausgeschieden, was für das Corona-Krisenmanagement eine schlechte Nachricht gewesen wäre. Zudem hätte sich eine CDU-Minderheitsregierung bis zur Landtagswahl am 6. Juni im Parlament wechselnde Mehrheiten bei den anderen Parteien und auch bei der AfD suchen müssen. Haseloff selbst lehnt jegliche Zusammenarbeit mit der AfD strikt ab.

Nun ist vorerst zwar die Koalition gerettet, Sachsen-Anhalt steht aber wegen der Blockade des Rundfunkbeitrags isoliert da. Die Forderung der CDU nach umfassenden Reformen und Einsparungen bei den öffentlich-rechtlichen Sendern sowie einer stärkeren Berücksichtigung ostdeutscher Belange stoßen auch bei anderen Parteien auf Verständnis. SPD und Grünen wollten dies aber nicht mit dem Staatsvertrag verknüpfen, der schließlich von allen Landesregierungen unterschrieben wurde.

Wenn nur ein Land den Staatsvertrag nicht ratifiziert, kann die geplante Anhebung des Rundfunkbeitrags nicht in Kraft treten. Den öffentlich-rechtlichen Sendern würden dann Einnahmen entgehen. Der ARD-Vorsitzende Tom Buhrow warnte vor Einschnitten im Programm und drohte bereits mit dem Gang vor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Auch die rheinland-pfälzische Medienstaatssekretärin Heike Raab (SPD), die auch Koordinatorin der Rundfunkkommission der Länder ist, rechnet mit einer Klage der Rundfunkanstalten.

Haseloff muss jetzt nicht nur seinen Länderkollegen gegenüber das Nein zum gemeinsam vereinbarten Staatsvertrag rechtfertigen. In den verbleibenden sechs Monaten bis zur Landtagswahl muss der Ministerpräsident auch zur Sacharbeit zurückfinden. Schließlich führt der 66-Jährige die CDU noch einmal als Spitzenkandidat in die Wahl.

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