Europa-Staatsminister Michael Roth (SPD) sieht die Ankündigung Polens und Ungarns gelassen, den Streit um die Rechtsstaatlichkeit vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) bringen zu wollen. „Ich habe sehr, sehr großes Vertrauen in den EuGH als Schutzmacht der europäischen Werte“, sagte Roth im Interview mit der Nachrichtenagentur AFP. „So hat er in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten auch immer geurteilt, also habe ich vor dieser Entscheidung auch keine Angst.“
Nach wochenlangem Ringen hatten sich die EU-Staats- und Regierungschefs bei ihrem Gipfeltreffen Anfang Dezember auf einen Rekord-Haushalt geeinigt – inklusive des von der deutschen Ratspräsidentschaft eingebrachten Rechtsstaatsmechanismus, der bei Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit die Kürzung von EU-Mitteln vorsieht. Warschau und Budapest hatten wegen der Verknüpfung des Haushalts mit der Rechtsstaatlichkeit mit einem Veto gedroht, dieses aber schließlich fallen lassen. Sie kündigten stattdessen eine Klage vor dem EuGH an.
„Ich bin froh, dass wir jetzt auch die Chance haben, dass der EuGH verbindlich klären wird, dass es sich dabei um ein völlig vertragskonformes Instrument handelt“, sagte Roth. Rechtsstaatlichkeit sei das, was die EU im Inneren zusammenhalte. „Rechtsstaatlichkeit spaltet uns derzeit, muss uns aber einen. Hier haben wir ein erhebliches Glaubwürdigkeitsdefizit.“
Mit Blick auf die Vorwürfe gegen die EU unter anderem aus Ungarn und Polen sagte Roth, der Einsatz für Rechtsstaatlichkeit sei „eine Verpflichtung für alle, keine Ideologie“. „Die Werte, über die wir reden, die in Artikel 2 der EU-Verträge zugrunde gelegt sind und zu deren Einhaltung sich alle Mitgliedstaaten verpflichtet haben, sind universell und unterscheiden sich nicht nach Himmelsrichtungen, es gibt also keine westliche, östliche oder mediterrane Interpretation“, sagte er. Es gehe nicht an, sich „mit der Berufung auf nationale Traditionen und Kulturen von diesen Werten und Grundprinzipien zu verabschieden“.
Polen und Ungarn stehen seit Jahren in der EU wegen rechtsstaatlicher Verfehlungen am Pranger. Roth unterstrich, die während der deutschen Ratspräsidentschaft eingeführten Instrumente zur Sicherung der Rechtsstaatlichkeit in der EU seien für alle Mitgliedstaaten bindend – auch für Deutschland. „Auch wir erleben ja immer wieder Diskriminierung und Ausgrenzung, aber auch völlig inakzeptablen Antisemitismus. Hier muss die EU genau hinschauen, alle Länder tragen ausnahmslos Verantwortung.“