EuGH befasst sich mit Klage von Holocaust-Überlebendem gegen deutschen Verlag

Europäischer Gerichtshof
Europäischer Gerichtshof

Ein polnisches Gericht kann nach Meinung eines Generalanwalts am Europäischen Gerichtshof (EuGH) für die Klage eines Polen gegen einen deutschen Verlag wegen Persönlichkeitsverletzung zuständig sein – auch wenn der Kläger in dem betreffenden Artikel nicht genannt wird. Allerdings müsse das Gerichts überprüfen, dass der Verlag vernünftigerweise vorhersehen konnte, dass bei polnischen Lesern Schaden entstehen könne, schränkte er am Dienstag in Luxemburg ein. Es ging um den Rechtsstreit eines Holocaust-Überlebenden mit dem Mittelbayerischen Verlag. (Az. C-800/19)

Der Verlag hatte das deutsche nationalsozialistische Konzentrationslager Treblinka, das im besetzten Polen lag, in einem Artikel auf seiner Nachrichtenseite für einige Stunden fälschlicherweise als „polnisches Vernichtungslager“ bezeichnet. Später korrigierte er den Ausdruck. In dem Artikel ging es um einen anderen Holocaust-Überlebenden.

Der Kläger, ein früherer Gefangener des Vernichtungslagers Auschwitz, zog in seinem Wohnort in Polen vor Gericht. Er forderte eine öffentliche Entschuldigung des Verlags und die Zahlung von umgerechnet 11.000 Euro an den Verband der ehemaligen politischen Gefangenen. Zudem solle dem Verlag die weitere Verbreitung des falschen Ausdrucks in allen Sprachen verboten werden.

Das Warschauer Landgericht lehnte den Antrag des Verlags auf Klageabweisung ab. Dieser habe voraussehen können, dass der Artikel auch Leser in anderen Ländern wie Polen erreiche, hieß es. Polen könne also als der Ort gesehen werden, an dem Persönlichkeitsrechte verletzt worden seien.

Dagegen legte der Verlag Berufung ein und begründete diese unter anderem damit, dass es in dem Artikel nicht um den Kläger gehe. Der Verlag habe darum objektiv nicht vorhersagen können, wo er verklagt werden könnte. Er sah darin einen Verstoß gegen europäisches Recht. Das Berufungsgericht in Warschau setzte das Verfahren aus und legte es dem EuGH vor.

Normalerweise ist in der EU ein Gericht des Landes zuständig, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz hat. Es gibt aber Ausnahmen. Generalanwalt Michal Bobek sah am Dienstag in seinem Gutachten eine solche Option. Er hielt es für möglich, dass ein deutscher Verlag hätte vorhersehen können, dass jemand in Polen sich durch den falschen Ausdruck angegriffen fühlen könnte – zumal Deutsch auch in vielen Gebieten außerhalb Deutschlands gesprochen werde.

Ob die Persönlichkeitsrechte des Klägers durch den nur kurz veröffentlichten Ausdruck tatsächlich verletzt worden seien, müsse aber das nationale Gericht entscheiden. Es stelle sich die Frage, ob der Kläger erfolgreich geltend machen könne, einen konkreten Schaden erlitten zu haben. Das polnische Gericht müsse darauf achten, dass der Beklagte nicht strengeren Regelungen unterworfen werde als in seinem Heimatstaat.

Der EuGH muss dem Gutachten des Generalanwalts in seinem Urteil nicht folgen, tut dies aber oft. Ein Urteilstermin stand noch nicht fest.

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