AfD-Bundestagsfraktionschefin Alice Weidel hat eine schnelle Klärung der Spitzenkandidatenfrage gefordert und Parteichef Jörg Meuthen kritisiert. Aus ihrer Sicht hätte der Parteitag am 10./11. April entscheiden können, sagte Weidel der Zeitung „Welt“ (Montagsausgabe). „Der Bundesparteitag als höchstes Gremium der AfD und Ort der Debatte wäre durchaus geeignet gewesen.“ In einer von Meuthen herbeigeführten Mitgliederbefragung war eine große Mehrheit dafür, die Spitzenkandidaten in einer Basis-Befragung auszuwählen.
Weidel forderte Meuthen auf, den Wunsch der Mitglieder nun „möglichst zeitnah“ in die Praxis umzusetzen. Die Partei solle „mit der größten Oppositionsfraktion im Bundestag schnell entscheiden, mit welchen Spitzenkandidaten wir in den Wahlkampf gehen“, sagte sie. „Die Wähler verbinden Programme mit Köpfen. Wir schaden uns, wenn wir uns nicht rasch über die Köpfe einigen.“
In der Online-Befragung hatten sich 86,6 Prozent der teilnehmenden AfD-Mitglieder dafür ausgesprochen, die Kandidaten von allen Mitgliedern bestimmen zu lassen. 13,4 Prozent waren dagegen und befürworteten somit eine Entscheidung bereits auf dem Bundesparteitag in Dresden.
Weidel sprach von einem „sehr deutlichen Votum der Parteibasis“. Gleichwohl könne sie es „nachvollziehen“, dass einige AfD-Landesverbände angekündigt hatten, auf dem Parteitag per Antrag eine Entscheidung über die Frage schon in Dresden statt erst später in einer Mitgliederbefragung durchzusetzen. „Es ist sehr unglücklich, dass zwei unterschiedliche Verfahren, die Online-Umfrage und die Entscheidung am Bundesparteitag, gegeneinander laufen“, sagte die Fraktionsvorsitzende. Sie hoffe „auf eine einvernehmliche Lösung“.
Ob sie sich selbst als Spitzenkandidatin bewerben will, ließ Weidel weiterhin offen. Der 42-Jährigen werden Ambitionen auf die Spitzenkandidatur nachgesagt, als aussichtsreicher Kandidat gilt auch Meuthens Ko-Vorsitzender Tino Chrupalla. Bei der Bundestagswahl 2017 bildeten Weidel und Ko-Fraktionschef Alexander Gauland das Spitzenkandidaten-Team.
Über ihr angespanntes Verhältnis zu Meuthen sagte Weidel: „Es ja kein Geheimnis, dass ich einen grundlegend anderen Ansatz verfolge als er.“ Gauland und sie hielten es für wichtig, über innerparteiliche Strömungen hinweg zu wirken. „Das halte ich für vorbildlich für die Gesamtpartei, in der es derzeit leider anders aussieht“, sagte Weidel und fügte hinzu: „Innerparteilicher Streit ist im Superwahljahr überaus schädlich für uns.“
Mit Anspielung auf Meuthens scharfe Attacke gegen den rechtsnationalen Flügel beim Bundesparteitag in Kalkar Ende 2020 sagte Weidel: „Wäre die Veranstaltung nicht für eine polarisierende Generalabrechnung genutzt worden, dann stünde der jetzt bevorstehende Parteitag in Dresden unter einem besseren Stern.“
Weidel forderte ihre Partei zu einer selbstkritischen Analyse mit Blick auf die Corona-Pandemie auf. Bei diesem Thema „konnten wir uns offenbar nicht als Problemlösungspartei positionieren“, sagte sie. „Von der Unzufriedenheit mit der Corona-Politik profitiert maßgeblich die FDP – nicht die AfD.“
Weidel gab dem Bericht zufolge zu erkennen, dass konkrete Themen einer solchen Selbstkritik die ablehnende Haltung ihrer Partei zu einer allgemeinen Maskenpflicht sowie die starke Solidarisierung von Teilen der AfD mit der „Querdenken“-Bewegung sein sollten. „Da müssen wir auch an uns arbeiten, damit die Kommunikation nach außen konsistenter wird“, sagte sie.