Das neue chinesische Sicherheitsgesetz: Harte Strafen, Verfahren ohne Öffentlichkeit und mögliche Überstellung an China

Symbolbild: Chinesische Polizei
Symbolbild: Chinesische Polizei

Chinas umstrittenes Sicherheitsgesetz zu Hongkong gibt Peking umfassende Kompetenzen in der Finanzmetropole. In der Hongkonger Demokratiebewegung und international sorgt das Gesetz, das Ende Juni in Kraft getreten ist, für größte Besorgnis: Eine Aushöhlung der demokratischen Freiheitsrechte und die Unterdrückung der Demokratiebewegung werden befürchtet. Mehr noch: Das umstrittene Regelwerk stellt insgesamt die Unabhängigkeit der Justiz Hongkongs und seiner Verfassung infrage.  

Das Gesetz erlaubt den Behörden ein hartes Vorgehen gegen alle Aktivitäten, die nach ihrer Auffassung die nationale Sicherheit bedrohen. Peking versichert, das Gesetz werde die politischen Freiheiten in der ehemaligen britischen Kronkolonie nicht beenden. Doch erste Festnahmen von Demonstranten, denen nach dem neuen Gesetz „Terrorismus“ oder „Anstachelung zur Abspaltung“ vorgeworfen wurde, oder die Entfernung von Büchern von Demokratie-Aktivisten aus Hongkonger Bibliotheken lassen Schlimmes befürchten. Ein Überblick über zentrale Punkte des sogenannten Sicherheitsgesetzes: 

Viel Spielraum für die Strafverfolgung

Das neue Gesetz nennt vier Vergehen als Gefahr für die nationale Sicherheit: „Subversion, Abspaltung, Terrorismus sowie Konspiration mit ausländischen Kräften“. Bei Verstoß drohen lebenslange Haftstrafen. Experten befürchten, die offene Formulierung der Tatbestände erlaube die Kriminalisierung einer Reihe von Handlungen und Meinungsäußerungen. 

Der Hongkonger Anwalt Antony Dapiran, der Bücher über die Demokratie-Bewegung verfasst hat, nennt den Gesetzestext „offen für Interpretation“. So werde ein Angriff auf den öffentlichen Nahverkehr, wie er bei den Protesten im vergangenen Jahr häufig vorkam, oder die Unterstützung dabei als „Terrorismus“ gewertet. Auch gemäßigte Anhänger der Protestbewegung könnten somit verfolgt werden. 

Als „Abspaltung“ nach dem neuen Gesetz gelten nun auch friedliche Forderungen nach mehr Autonomie für Hongkong. So wurden eine Frau und ein Mann wegen Transparenten festgenommen, auf denen sie Unabhängigkeit für Hongkong gefordert hatten. Die Hongkonger Polizei erklärte, dass auch Aufrufe zur Unabhängigkeit von Tibet oder Taiwan nun illegal seien. 

Unabhängig davon, ob Gewalt angewendet oder mit Gewalt gedroht wurde, werden Anführer oder die Urheber der schweren Vergehen zu lebenslanger Haft oder einem Minimum von zehn Jahren Gefängnis verurteilt, heißt es in dem Gesetz. Experten warnen zudem davor, dass nach dem Gesetz auch Handlungen außerhalb der Grenzen Chinas und Hongkongs verfolgt werden können. 

Die Hongkonger Polizei erhielt schon eine Woche nach Inkrafttreten des Gesetzes neue Richtlinien, die ihre Befugnisse massiv erweitern. Dazu zählen Durchsuchungen ohne richterlichen Beschluss, Internet-Zensur, die Beschlagnahme von Vermögen oder Pässen sowie die verdeckte Überwachung. 

Übergabe von Fällen an chinesische Justiz

Das Gesetz nennt drei Szenarien, in denen China die Strafverfolgung übernehmen könnte: Dazu zählen komplizierte Fälle von ausländischer Einmischung, „sehr ernste Fälle“ sowie Fälle, wenn die nationale Sicherheit „ernsthaften und realistischen Bedrohungen“ ausgesetzt ist. Die Behörden in Hongkong können die Fälle dann direkt an Festlandchina überweisen. In Chinas undurchsichtigem Rechtssystem enden im Durchschnitt 99 Prozent der Strafverfahren mit einem Schuldspruch. Aktivisten und Oppositionelle werden häufig Opfer von langen außergerichtlichen Freiheitsbeschränkungen oder sogar von Folter.

Verfahren hinter verschlossenen Türen und ohne Geschworene

Bestimmte Fälle können nach dem neuen Gesetz auch hinter verschlossenen Türen und ohne Geschworene in Hongkong verhandelt werden, wenn es dabei um Staatsgeheimnisse geht. Die Urteile würden zwar veröffentlicht. Die Hongkonger Regierungschefin Carrie Lam wird die Richter für diese Verfahren jedoch jeweils für ein Jahr selbst bestimmen können.

Nationales Sicherheitsbüro

China hat auf Grundlage des Gesetzes in Hongkong ein „nationales Sicherheitsbüro“ eröffnet, dessen Mitarbeiter nicht an die Hongkonger Gesetze gebunden sind. An der Spitze der neuen Behörde steht Zheng Yanxiong, ein Hardliner, der für sein rigoroses Vorgehen gegen Proteste auf dem chinesischen Festland bekannt ist. Die Behörde hat Ermittlungs- und Strafverfolgungsbefugnisse und soll die Einhaltung des Sicherheitsgesetzes für die Sonderverwaltungszone überwachen.

Kontrolle ausländischer NGOs und Medien

Das sogenannte Sicherheitsgesetz schreibt den Hongkonger Behörden vor, „notwendige Maßnahmen zur stärkeren Kontrolle (…) ausländischer NGOs und Nachrichtenorganisationen“ zu ergreifen. Wegen der verfassungsmäßig garantierten Freiheitsrechte ist Hongkong Sitz vieler internationaler Medien und NGOs in der Region. Organisationen, die gegen das neue Gesetz verstoßen, können mit Strafzahlungen belegt werden oder müssen ihre Tätigkeit einstellen. Die „New York Times“ kündigte bereits an, ein Drittel ihrer Hongkonger Mitarbeiter nach Seoul zu verlegen. 

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