Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) hat den im Koalitionsausschuss gefundenen Kompromiss zum Wahlrecht scharf kritisiert. „Das Ergebnis ist ein klein wenig besser als nichts, aber keine Lösung“, sagte Schäuble der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (FAS). „Mich schmerzt, dass die Fraktionen keine Reform hinbekommen, die den Namen verdient.“ Er fügte hinzu: „Dass Parteivorsitzende, die nicht mal dem Parlament angehören, dann die Entscheidung verkünden, entspricht auch nicht gerade meinem Verständnis von parlamentarischer Demokratie“.
Die Partei- und Fraktionsspitzen der großen Koalition hatten sich am Dienstag auf ein Zwei-Stufen-Modell geeinigt. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer, der SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans und CSU-Chef Markus Söder, die das Ergebnis verkündet hatten, gehören alle nicht dem Bundestag an.
Dem Kompromiss zufolge soll für die Bundestagswahl 2021 eine Übergangslösung gelten, bei der die Zahl der Wahlkreise noch nicht reduziert wird. Eine Begrenzung der Überhangmandate soll aber durch Veränderungen bei der Verteilung der Parlamentssitze auf die einzelnen Bundesländer erreicht werden.
Zudem vereinbarten Union und SPD, dass drei Überhangmandate nicht ausgeglichen werden. Dies dürfte nach jetzigem Stand der Umfragen die Union bei der Mandatsverteilung bevorzugen. Vor der Wahl 2025 soll dann die Zahl der Wahlkreise von 299 auf 280 reduziert werden.
Nach Ansicht der Grünen wird der nächste Bundestag auch mit der vereinbarten Reform höchstwahrscheinlich weiter wachsen. Berechnungen im Auftrag der Grünen-Bundestagsfraktion ergaben demnach, dass auf der Grundlage der aktuellen Umfragewerte für die Parteien mit einem Anstieg von derzeit 709 auf 739 Abgeordnete zu rechnen sei. Ohne die Reformpläne der GroKo wären es der Berechnung zufolge 744 Parlamentarier. Die reguläre Größe des Bundestags beträgt 598 Parlamentarier.