Knobloch warnt vor Erstarken des Antisemitismus – und kritisiert AfD

Bundestag/Reichstag
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In ihrer Rede in der Gedenkstunde des Bundestags für die Opfer des Nationalsozialismus hat die Präsidentin der israelitischen Kultusgemeinde München, Charlotte Knobloch, vor einem Erstarken des Antisemitismus gewarnt. Die Holocaust-Überlebende richtete sich dabei im Plenum des Bundestags ausdrücklich an die AfD. „Ich kann nicht so tun, als kümmerte es mich nicht, dass Sie hier sitzen“, sagte sie am Mittwoch an die AfD-Angeordneten gewandt. 

Sie wolle zwar kein pauschales Urteil über die AfD fällen, betonte Knobloch: „Vielleicht ist die eine oder andere noch bereit zu erkennen, an welche Traditionen da angeknüpft wird.“ Den „Übrigen in Ihrer Bewegung“ sage sie aber: „Sie werden weiter für Ihr Deutschland kämpfen, und wir werden weiter für unser Deutschland kämpfen – und ich sage ihnen: Sie haben Ihren Kampf vor 76 Jahren verloren.“

Knobloch bezeichnete sich in ihrer Rede als „stolze Deutsche“. Sie fügte hinzu: „Ich hatte eine Heimat verloren, ich habe für sie gekämpft, ich habe sie wiedergewonnen und werden sie verteidigen.“ Sie wisse: „Unser Land leistet viel, dass jüdische Menschen sicher sind und hoffentlich nie wieder allein.“ Sie sei „stolz auf unsere Demokratie, auch wenn ich sie mir wehrhafter wünsche“. Knobloch richtete einen Appell an die Zuhörer: „Ich bitte Sie: Passen sie auf auf unser Land.“

Zweite Gedenkrednerin im Bundestag war die Publizistin Marina Weisband. Sie berichtete davon, dass es für Juden und Jüdinnen in Deutschland auch heute noch fast unmöglich sei, „einfach nur Menschen“ zu sein. Sie müssten aus Sicherheitsgründen ihre Jüdischsein verstecken und unsichtbar machen.

„Einfach nur Mensch zu sein ist Privileg derer, die nichts zu befürchten haben aufgrund ihrer Geburt“, sagte Weisband. „Einfach nur Mensch zu sein bedeutet, dass jüdisches Leben in Deutschland unsichtbar gemacht wird“ – denn es sei „gefährlich, sichtbar zu sein“.

Die jüngere Generation der Juden in Deutschland stehe vor der Aufgabe, „einen Weg zu finden, das Gedenken weiterzutragen, ohne uns selbst zu einem lebenden Mahnmal zu reduzieren“, sagte Weisband. Ziel sei es, dass jüdisches Leben in Deutschland als „schlichte Selbstverständlichkeit“ wahrgenommen werde.

Die 1932 geborene Knobloch ist Holocaust-Überlebende. Sie überstand die Schoa versteckt auf einem Bauernhof in Mittelfranken. Die 1987 in Kiew geborene Weisband spricht im Bundestag als Vertreterin der dritten Generation nach dem Holocaust. Seit 2018 ist sie Mitglied der Grünen und engagiert sich dort in den Bereichen Digitalisierung und Bildung.

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