WHO-Bericht zu Ursprüngen der Corona-Pandemie lässt einige Fragen offen

Corona - Bild: 9_fingers_ via Twenty20
Corona - Bild: 9_fingers_ via Twenty20

15 Monate nach den ersten bekannten Corona-Infektionen hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) einen mit Spannung erwarteten Bericht zu den Ursprüngen der Pandemie vorgelegt. Der am Montag in Genf präsentierte Bericht zu einer Expertenmission in Wuhan enthält keine Überraschungen. So halten es die Autoren für „wahrscheinlich bis sehr wahrscheinlich“, dass der Erreger von der Fledermaus über ein Zwischenwirt-Tier auf den Menschen übertragen wurde. Eine Labor-Panne als Pandemie-Ursprung stuften sie als „extrem unwahrscheinlich“ ein.

Ende 2019 wurden die ersten Infektionsfälle im chinesischen Wuhan bekannt. Seitdem haben sich weltweit mehr als 127 Millionen Menschen Behördenangaben zufolge mit Sars-CoV-2 angesteckt; mehr als 2,78 Millionen Infizierte starben. Wegen der Pandemie und neuer gefährlicherer Virus-Mutanten wurden in zahlreichen Ländern Restriktionen verhängt.

Dass Sars-Cov-2 auf dem Weg von der Fledermaus zum Menschen eine andere Tierart als Zwischenwirt nutzte, halten die Autoren des WHO-Berichts, in den die Nachrichtenagentur AFP Einsicht hatte, für „wahrscheinlich bis sehr wahrscheinlich“. Um welche Tierart es sich dabei handeln könnte, ließen die Experten offen. In der Forschungsliteratur stehen unter anderem Mardertiere wie Sonnendachse im Verdacht. 

In ihrem Bericht schreiben die Experten, dass sie auf dem Huanan-Markt, der als Ausgangsort der Pandemie vermutet wird, keine Beweise für infizierte Tiere gefunden hätten. Die Analyse der Lieferketten habe aber weiter nützliche Informationen ergeben, die als Grundlage für weitere gezielte Untersuchungen insbesondere in den Nachbarregionen dienen könnten. Aber auch tierische Produkte, die aus Regionen außerhalb Südostasiens stammten, müssten als Infektionsquelle weiter in Betracht gezogen werden.

Der Bericht stuft auch eine direkte Übertragung auf den Menschen als „möglich bis wahrscheinlich“ ein. Die bevorzugte These Pekings, dass die Übertragung auf den Menschen über tiefgekühltes Fleisch erfolgte, halten die Berichtsautoren für „möglich“.

Die These, dass das Virus – ungewollt oder gewollt – aus einem Labor entwichen sei, schlossen die WHO-Experten praktisch aus. Da dieses Szenario „extrem unwahrscheinlich“ sei, hätten sie es auch nicht näher untersucht. Die Labor-These hatte unter anderem der frühere US-Präsident Donald Trump verbreitet.

Der Bericht bestätigte somit die Einschätzungen, die die von der WHO entsandten Experten bereits bei ihrer Abschlusspressekonferenz in Wuhan am 9. Februar präsentiert hatten. Auf Grundlage der nun vorgelegten Hypothesen müssten weitere Studien vorgenommen werden, hieß es in dem Report. Auch WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus sagte am Montag, alle Hypothesen in dem Bericht erforderten „weitere Studien“.

Kritiker befürchten, dass die Berichtsautoren in China nicht frei arbeiten konnten. Lange Zeit hatte Peking sehr zurückhaltend auf das Ansinnen reagiert, internationale Fachleute zur Klärung der Pandemie-Ursprünge ins Land zu lassen. Erst nach über einem Jahr stimmte es dann der WHO-Mission zu.

Die etwa ein Dutzend Experten aus verschiedenen Fachrichtungen wie Epidemiologie und Zoologie durften schließlich nach mehrtägiger Verzögerung am 14. Januar 2021 nach China einreisen. Nach einer zweiwöchigen Corona-Quarantäne besuchten sie unter anderem das Institut für Virologie und den Huanan-Tiermarkt und sprachen mit chinesischen Behördenvertretern. Wie die Mission selbst hatte dann aber auch die Vorstellung des Berichts auf sich warten lassen. 

Die Nachforschungen nach dem Ursprung der Pandemie sind politisch heikel. Chinas Führung präsentiert sich inzwischen als Sieger über die Pandemie, weil es in der Volksrepublik nach rigiden Lockdown-Maßnahmen fast keine Corona-Fälle mehr gibt. 

Die USA haben auch unter dem neuen Präsidenten Joe Biden wiederholt Zweifel geäußert, ob die WHO-Experten Zugang zu allen relevanten Informationen hatten und ihr Bericht alle Erkenntnisse und Hinweise offenlegt. Peking hebt hingegen hervor, dass die WHO-Mission in Wuhan nur dank Chinas wissenschaftlicher Zusammenarbeit möglich gewesen sei.

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