Die Sozialverbände dringen auf eine grundlegende Reform der Grundsicherung in Deutschland. „Hartz IV hat keine Zukunft. Aus dem Grundprinzip des ‚Fördern und Fordern‘ hat sich zunehmend ein System entwickelt, dass die Menschen einschüchtert, kontrolliert und sanktioniert“, erklärte Diakonie-Vorstandsmitglied Maria Loheide am Montag anlässlich einer Bundestagsanhörung zum Thema Grundsicherung. VdK-Präsidentin Verena Bentele verwies auf die Notwendigkeit, den Zugang zur Grundsicherung zu vereinfachen.
„Viele Anspruchsberechtigte stellen aus Scham keinen Antrag, weil sie zur Überprüfung ihre kompletten Lebensumstände offenlegen müssen“, erklärte Bentele. Die Aussetzung der Vermögensprüfung und die Übernahme der Wohnkosten im Zuge des erleichterten Zugangs zur Grundsicherung in der Pandemie seien sehr sinnvolle Maßnahmen und sollten „nach der Corona-Krise in einem neuen Grundsicherungssystem fortgesetzt werden“, so Bentele. Außerdem seien eine Neuberechnung und die Erhöhung der Regelsätze dringend erforderlich.
Caritas-Präsident Peter Neher erklärte, das Fördern müsse gerade vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie und ihrer Folgen viel deutlicher ins Zentrum rücken. Zur Förderung von Langzeitarbeitslosen müsse dabei deutlich mehr in Umschulungen und Qualifizierung investiert werden.
Es sei gut, dass der Bundestag „notwendige Verbesserungen der Grundsicherung“ diskutiert, erklärte Diakonie-Vorstandsmitglied Loheide. „Wir erwarten von der Politik, dass Respekt und Ermutigung in der Existenzsicherung die Hauptrolle spielen und die Förderung im Vordergrund steht.“ Kontrolle und Sanktionen müssten überwunden werden. Es seien auch bessere und unkomplizierte Möglichkeiten des Zuverdienstes nötig, um das Hartz IV-System zu überwinden.
Diakonie und Caritas erinnerten daran, dass das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2019 die Sanktionsmöglichkeiten für Hartz-IV-Empfänger für teilweise verfassungswidrig erklärt habe. Loheide mahnte den Gesetzgeber, die Sanktionen neu zu regeln. „Das Grundgesetz schützt das Existenzminimum, denn dabei geht es um die Menschenwürde“, erklärte sie.
Der sozialpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Pascal Kober, forderte mehr berufliche Qualifizierung. Es sei „ein Skandal, dass monatlich nur 1,49 Prozent der Langzeitarbeitslosen eine berufliche Qualifizierung erhalten“, sagte der Bundestagsabgeordnete der Nachrichtenagentur AFP. Es brauche erleichterte Wege zurück auf den Arbeitsmarkt, besonders junge Menschen müssten mehr Perspektiven erhalten. Geringqualifizierte müssten auf dem Weg zu einer abgeschlossenen Berufsausbildung besser unterstützt werden, so Kober.