Die juristischen Nachspiele des Dieselskandals bei Volkswagen dauern an: Der Bundesgerichtshof (BGH) verhandelte am Dienstag erneut über zentrale Fragen rund um die Manipulationen an VW-Fahrzeugen, urteilte aber noch nicht über mögliche Erstattungsansprüche betroffener Verbraucher. Wegen manipulierter Abgaswerte zahlte Volkswagen betroffenen Kunden in den USA nach Angaben der Aufsichtsbehörde FTC seit 2016 insgesamt 9,5 Milliarden Dollar (acht Milliarden Euro) Schadenersatz.
Der BGH behandelte am Dienstag zum einen die strittige Frage, ob ein Verbraucher Anspruch auf Schadenersatz hat, wenn er das betroffene Fahrzeug erst nach Aufdeckung der Abgasmanipulation durch illegale Abschalteinrichtungen gekauft hatte. Im konkreten Fall erwarb der Betroffene das Auto im August 2016 – also fast ein Jahr, nachdem Volkswagen zugegeben hatte, in weltweit elf Millionen Fahrzeugen eine illegale Software eingesetzt zu haben.
Ein Urteil dazu werde es an diesem Verhandlungstag noch nicht geben, erklärte eine Konzernsprecherin. Sie sprach allerdings von hohen Hürden für die Verbraucher. Die Karlsruher Richter hätten angedeutet, dass sie keinen Anspruch auf Entschädigung sehen, erklärte auch der Rechtsanwalt Claus Goldenstein, der tausende Verbraucher im Dieselskandal vertritt.
Die Richter befassten sich zum anderen mit der Rechtmäßigkeit sogenannter Deliktzinsen, die Käufern bei Betrug oder sittenwidriger Handlung zugesprochen werden können. Auch hier war laut der VW-Sprecherin vorerst noch kein Urteil zu erwarten. In zwei weiteren Revisionsverfahren im VW-Dieselskandal will der BGH dagegen am Donnerstag ein Urteil verkünden. Geklagt hatte unter anderem ein Gebrauchtwagenkäufer, der das Dieselauto bereits frühzeitig durch ein Software-Update aufgerüstet hatte.
Goldenstein erklärte am Dienstag, dass manipulierte Fahrzeuge auch nach dem Update „nur bei bestimmten Temperaturen tatsächlich sauber sind“. Dieses sogenannte Thermofenster sei bislang legal, werde aber derzeit vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) untersucht und möglicherweise beanstandet. „Mehrere Millionen VW-Fahrzeuge mit dem Software-Update müssten dann noch einmal zurückgerufen werden“, erklärte Goldenstein weiter – den Käufern stehe dann außerdem eine Entschädigung zu.
Auch nach mehreren Urteilen in den vergangenen Monaten ist der Dieselskandal also juristisch noch lange nicht aufgearbeitet. Die im Jahr 2015 aufgeflogenen Manipulationen an Dieselmotoren führten für Volkswagen zu Strafzahlungs- und Schadenersatzkosten von insgesamt bereits mehr als 30 Milliarden Euro, die meisten davon in den USA.
Dort hatte die Aufsichtsbehörde FTC am Montag ihren Abschlussbericht zu dem Skandal vorgelegt. Sie bezeichnete die Schadenersatzzahlungen in Höhe von umgerechnet rund acht Milliarden Euro im Rahmen eines Vergleichs mit dem Wolfsburger Autobauer als das „größte Erstattungsprogramm für Verbraucher in der Geschichte der Vereinigten Staaten“. 86 Prozent der Kläger hätten sich dazu entschieden, ihre Fahrzeuge zurückzugeben. Nur eine Minderheit habe die Motorsoftware ihrer Autos updaten lassen.
Auch in Deutschland nahmen bereits zehntausende VW-Kunden einen Ende Februar vom Konzern und Verbraucherschützern ausgehandelten Vergleich an. Unabhängig davon entschied der BGH Ende Mai, dass VW betroffenen Kunden grundsätzlich Schadenersatz zahlen muss, wenn die manipulierten Diesel vor Bekanntwerden des Skandals gekauft wurden. Dafür müssen das Auto zurückgegeben und die gefahrenen Kilometer auf die Entschädigung angerechnet werden.